Politik

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Lufthansa: Wem die Bundesregierung mit dem Deal wirklich hilft

Der Bund will die Lufthansa durch Steuergelder retten. Leider zeigt sich an diesem Beispiel wie so oft: Jede Krise zieht eine Umverteilung von unten nach oben nach sich. Der Konzern und das Finanzministerium helfen dafür auch noch kräftig nach (chs).

Hermann Thiele ist laut dem Forbes-Magazin einer der zehn reichten Menschen Deutschlands. Anfang März kaufte der Großinvestor zehn Prozent aller Aktien des Lufthansa-Konzerns. Eine Stückaktie war auf dem Markt damals rund 7,20 Euro wert – der Konzern lag aufgrund der Corona-Maßnahmen am Boden.

Mittlerweile stieg der Aktienwert des deutschen Großunternehmens auf durchschnittlich über neun Euro an. Und das, obwohl aufgrund der Reisebeschränkungen weiterhin 700 von 760 Flugzeugen der Flotte am Boden bleiben. Experten gehen davon aus, dass der DAX-Konzern bis Ende des Jahres einen Rückgang des Umsatzes von 36,4 auf 20,7 Milliarden hinnehmen muss. Thieles Invest in den leidenden Konzern zahlt sich bereits jetzt für ihn aus. Was war passiert?

Ganz einfach: Der Multimilliardär profitiert enorm von der Aussicht auf Staatshilfen der Bundesregierung. Allein die Verhandlungen über die Rettung des Großkonzerns bescherte der Aktie bereits Anfang April einen enormen Schub. Es flossen bis heute keinerlei Staatsmittel in den Konzern, die wirtschaftliche Situation des Unternehmens oder der tausenden Beschäftigen verbesserte sich keinesfalls. Den Wert von Thieles Aktienpaket bestimmen einzig und allein Spekulationen und Zukunftsaussichten, die jedoch bei Auszahlung plötzlich zu einem ganz konkreten Realgewinnen für den Großaktionär werden – so funktioniert der Aktienmarkt eben.

Thiele spekulierte von Beginn auf nichts anderes, als dass Staatshilfen sein enormes Vermögen erweitern würden – ob von der Bundesregierung so beabsichtigt oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Der Milliardär profitiert zeitgleich auch an anderer Stelle: Er hält rund 70 Prozent an seinem Unternehmen Knorr-Bremse – Zulieferer für die Herstellung von LKW-und Bahnfahrzeugen. Knorr-Bremse schickte Anfang April rund 4.000 aller 5.500 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Das Unternahmen nahm sogar Kredite auf, nur um Ende des Jahres trotz massiven Einbußen 40 bis 50 Prozent des Gewinnes an Aktionäre auszuschütten. Staatshilfe gibt’s trotzdem: Das Finanzministerium macht eine Aussetzung der Dividendenausschüttung bis heute nicht zum Kriterium dafür, ob ein von der Krise gebeuteltes Unternehmen Unterstützung erhält oder nicht.

So perfide läuft es bei der Rettung der Lufthansa-Group nicht. Aber annähernd. Der Konzern akzeptierte zwar bereits Bedingungen wie die Aussetzung von Dividendenausschüttung, staatliche Beteiligung und die Abgabe an Start-und Landerechten. Jedoch akzeptierte der Staat eine Mindestbeteiligung am Unternehmen, mehr nicht. Im Raum stehen 20 Prozent im Rahmen einer Kapitalerhöhung, die ausschließlich vom Bund finanziert wird und liquide Mittel in den Konzern spülen soll. Wohin die staatlichen Mittel letztlich wandern, kann der Staat nach dem Deal kaum mehr beeinflussen. Der Bundes hätte in Sachen Unternehmensführung kaum Mitspracherecht – lediglich zwei Aufsichtsratsplätze nähme der Bund ein, besagt die vorläufig geschlossene Vereinbarung beider Parteien.

Der Bund verpasst damit eine riesige Chance, einen der größten Konzerne Deutschlands nach teilweise egoistischer und rückständiger Unternehmenspolitik auf eine gemeinnützigere Basis zu lenken. Es folgen einige Beispiele, die der Staat zur Bedingung machen müsste, um eine nachhaltige Veränderung des Konzerns zu erwirken.

Massive Steuerersparnisse im Ausland

Finanzminister Olaf Scholz rechtfertigte die milliardenschweren Finanzspritzen für Großkonzerne Anfang Mai noch eindringlich, das Gebot der Gerechtigkeit um jeden Preis waren zu wollen. „Wer seinen Firmensitz in einer Steueroase platziert hat, der kann dann nicht darauf rechnen, dass das jetzt die richtige Konstruktion ist, um in einer Krise auch staatliche Mittel und Steuerzahlergeld in Anspruch nehmen zu können“, sagte er in einer Videobotschaft. Diesen Sinn für Gerechtigkeit scheint der SPD-Minister bereits zwei Wochen später verloren zu haben. Der Konzern unterhält 92 Tochtergesellschaften in Steueroasen, davon 16 auf Malta. Zu diesem Ergebnis kommt das Netzwerk für Steuergerechtigkeit in einer Analyse. Eine dieser Firmen betreibt offiziell „Flugzeugleasing“ und hat gerade einmal zwei Mitarbeiter. Offenbar sehr produktive Mitarbeiter: Die Niederlassung verbuchte im vergangenen Jahr einen Gewinn von 185 Millionen Euro. Laut den Wirtschaftsprüfern der KPMG liegt der Unternehmenssteuersatz auf der Mittelmeerinsel zwischen 0 und 6,25 Prozent. Lufthansa schmuggelt also Millionen von Steuergeldern am deutschen Fiskus vorbei, um nun von den Geldern gerettet zu werden, die Nicht-Steuervermeider einbezahlt haben.

80.000 Beschäftigte in Kurzarbeit – und auf was verzichtet die Konzernspitze?

Ende März schickte Lufthansa rund 80.000 Beschäftigte in Kurzarbeit. Am härtesten betroffen sind beispielsweise Flugbegleiter, die nun für mehrere Monate nur 60 Prozent ihres Einkommens zur Verfügung haben. Durchschnittlich verdienen die Flugbegleiter rund 1.835 Euro monatlich. Nur noch etwa 1.000 Euro zur Verfügung zu haben, wird einige dieser Angestellten in erhebliche Existenznöte bringen. Diese Angestellten unterstützt die Bundesregierung mit ihren staatlichen Rettungsmaßnahmen kaum. Dabei ist der Arbeitnehmerschutz und Verhinderung von Kündigungen die legitimste Erklärung des Staates, einen Riesen-Konzern mittels Steuergeldern überhaupt zu retten. Ein Unternehmen ist schließlich nur dann systemrelevant, wenn es möglichst vielen Menschen nutzt und eine Existenzgrundlage bietet. Während aber rund 80.000 Menschen über Monate in Kurzarbeit auf 40 Prozent ihres Gehalts verzichten müssen, legte sich der Vorstand einen Gehaltsverzicht von gerade einmal 20 Prozent bis Ende des Jahres auf. Der Staat stellt in Sachen Gehälter von Führungskräften oder eventueller Umverteilung innerhalb des Unternehmens keine Forderungen – die Umverteilung von unten nach oben wird von der Regierung ignoriert. Vorstandschef Carsten Spohr verdiente laut Erhebungen der Hans-Böckler-Stiftung im Jahr 2017 rund vier Millionen Euro. Während der Coronakrise verzichtet er auf 25 Prozent Grundgehalt – und auf Boni, die jedoch aufgrund der Gewinneinbußen des Konzerns wohl ohnehin schwach ausgefallen wären. Ebenfalls bis Ende des Jahres auf Kurzarbeitergeld umzusteigen – als Zeichen der Solidarität mit seinen Mitarbeitern und des neuen Sparkurses – kam dem Manager wohl nicht in den Sinn. Die gut verdienenden, aber wesentlich schlechter gestellten Piloten der Lufthansa machen ihrem Konzern-Vorstand vor, wie wirkliche Solidarität mit dem Unternehmen und ihrer Arbeitskollegen geht. Sie boten der Führung freiwillig an, bis Sommer 2022 (!) auf 45 Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Mit einem vergleichsweise hohem Monatsgehalt ist das für diese Angestellten einigermaßen zu stemmen, jedoch lässt sich hier treffender über einen „Verzicht“ sprechen, als bei den Einbußen, die sich die Konzernführung selbst aufdiktiert hat. Vorstand und Aufsichtsrat sollte sich an der Bereitschaft ihrer Piloten eine Scheibe abschneiden.

„Umweltschutzauflagen“ werden zu einer Subvention für Airbus

Die einzige Auflage, den längst fälligen nachhaltigen Umbau der Airline über staatliche Mitbestimmung einzuleiten, ist die Stilllegung von zehn älteren Airbus-Modellen, die in Sachen Umweltfreundlichkeit nicht modern und besonders nachhaltig sind. Diese werden – natürlich über die Staatskredite – durch neuere Maschinen ersetzt. Für den Flugzeughersteller Airbus erweist sich die Lufthansa-Rettung somit als willkommene Gelegenheit, überschüssige Unternehmensbestände zumindest teilweise loszuwerden. Aufgrund der Krise musste der Technik-Riese 299 Bestellungen kurzerhand aus den Büchern streichen. Langfristig andere nachhaltige Konzepte innerhalb der Airline zu anzustoßen, wird mit einer Mindestbeteiligung am Unternehmen und zwei Aufsichtsratssitzen dagegen wohl kaum möglich sein.

Zusammenfassend lassen sich noch allgemeinere Fragen um das Handeln der Bundesregierung in Krisenzeiten formulieren. Sollte es nicht Aufgabe des Staates sein, 80.000 Kurzarbeiter der Lufthansa direkt zu unterstützen, anstatt das Geld einem Konzern zu geben und die Kontrolle nach dem Deal über die Mittel aus der Hand zu geben? Die Flugzeuge werden nicht ewig stillstehen. Früher oder später wird es für viele Beschäftigte zurück in die Vollzeit-Beschäftigung gehen – jedoch erst, nachdem einige monatelang am Existenzminimum leben mussten. Carsten Spohr kündigte obendrein bereits Einsparungen im Personalbereich an, um den neun Milliarden schweren Kredit des Bundes tilgen zu können. Übersetzt: Kündigungen, Gehaltseinsparungen und Verringerung der Schichtzuschläge? Die Tochtergesellschaft „Germanwings“ sollte unabhängig der Krise ohnehin zum Jahr 2022 aufgelöst werden. Dieses Unterfangen will der Konzern um ein Jahr vorziehen. Kredite, die ein Unternehmen aufnimmt, fließen ohnehin nie in die Mitarbeiter. Gehälter und Löhne aufzustocken ist keine Investition, das sich für das Unternehmen schnell auszahlt und die benötigten Mittel zur Kredittilgung einbringt. Dass die angedachten Staatshilfen also den Mitarbeiter, sprich den Menschen, für die eine Bundesregierung am ehesten Verantwortung trägt, zugute kommt, ist fast ausgeschlossen. Doch wenn man schon den Weg einer Hilfe für Großkonzerne geht, warum gibt sich die die Regierung mit einer Mindestbeteiligung zufrieden? Der Bund lässt eine Chance verstreichen, einen Großkonzern, der nachweislich Steuervermeidung im großen Stil betreibt, gerechter und nachhaltiger aufzustellen. Allein die Verhandlungen über eine staatliche Rettung lässt bislang nur einen profitieren: Hermann Thiele scheffelte allein in den vergangenen Wochen fast 100 Millionen an Vermögenszuwachs über sein Aktienpaket der Lufthansa Group – er müsste nur noch auscashen lassen.

Farbenblindheit ist kein neues Phänomen

Polizeigewalt in den USA gab es auch unter dem ersten schwarzen Präsidenten der USA. Das Problem wurzelt tiefer und bedarf einer Systemerneuerung (Savas).

Diese letzte Maiwoche des Jahres bietet die Möglichkeit, das ganze Dilemma der USA wie unter einem Brennglas zu betrachten: Demokraten und Liberale verzetteln sich in Streits darüber, ob Präsident Donald Trumps Twitter-Account gesperrt werden sollte.

Gleichzeitig wird in Minneapolis ein afroamerikanischer Mitbürger brutal von einem Polizisten ermordet-natürlich unbewaffnet, wie auf den Aufnahmevideos deutlich zu erkennen ist.

Doch das Dilemma, das hieraus ergibt, ist: es wird sich nichts ändern. Nicht heute. Nicht morgen. Und auch nicht übermorgen.

Die vier beteiligten Polizisten wurden bereits entlassen, was die Gemüter erfahrungsgemäß wenig beruhigen wird. Das ist eine Routinemaßnahme 1-zu-1 nach dem Playbook von Polizeigewalt gegenüber Schwarzen.

Dieses Playbook läuft folgendermaßen ab:

Medialer Aufschrei, Entlassung der Polizisten und eine „Investigation“, also eine Ermittlung in die Geschehnisse. Am Ende dieser Ermittlungen steht immer:

keine strafrechtliche Konsequenz. Weder für die einzelnen Polizisten, die für den Mord verantwortlich sind, noch für deren Polizeibehörde. Und schon gar nicht für das Polizeisystem selbst.


Wer allerdings nicht nur an der Oberfläche dieser Polizeigewalt kratzen möchte, sollte einen Blick in die Vergangenheit werfen:

Trayvon Martin wurde 2012 beim Joggen auf offener Straße von einem Nachbarschaftssheriff ermordet. Der Schüler Michael Brown wurde bei Protesten in Ferguson von einem Polizisten getötet. Der Familienvater Eric Garner verkaufte in New York angeblich illegal Zigaretten und musste deshalb sterben. Sein Tod ähnelt stark dem von George Floyd vor wenigen Tagen. Beide lagen wehrlos am Boden und riefen um Hilfe, da sie keine Luft mehr bekamen. Im vergangenen Jahr wurde außerdem bekannt, dass der beschuldigte Polizist nicht mehr angeklagt wird.

Philando Castile starb 2016 bei einer Routine-Polizeikontrolle, während hinter ihm die 4-jährige Tochter seiner Lebensgefährtin saß; weil er… ja, natürlich, weil er schwarz war.

Ein mittlerweile bekannter Film von 2013, Fruitvale Station, beschäftigt sich mit der wahren Geschichte des jungen Afroamerikaners, Oscar Grant, der in der Silversternacht 2008/2009 in der U-Bahn-Station „Fruitvale Station“ in Oakland brutal von einem Polizisten getöt wurde; weil er unbewaffnet, schwarz und „furchteinflößend“ wirkte, wie verdächtige Polizisten gerne als Erklärung für ihre Taten anführen.

Diese Liste an Fällen ließe sich noch nahtlos weiterführen, doch das würde an den Gegebenheiten nichts ändern.

Die Ursachenforschung allerdings sollte viel tiefer reichen:

Die Vereinigten Staaten wurden 1776 auf zwei Prinzipien gegründet. Der linke Intellektuelle Noam Chomsky hat das einmal sehr deutlich aufgezeigt: Das Prinzip der Sklaverei und des Völkermords an den indigenen Ureinwohnern.

Beide Prinzipien hängen miteinander zusammen; und beide Prinzipien lassen sich bis heute in der Gesellschaft der USA beobachten: Indigene Menschen werden immer noch benachteiligt, verfolgt und aus ihren Territorien in Nordamerika vertrieben, wie sich an den Protesten gegen die Dakota Access Pipeline sehen lässt.

Bei einer Umfrage im Auftrag von NPR von 2017 gaben 50 Prozent von Indigenen an, Diskriminierung von Polizisten und Behörden erfahren zu haben.

Die formelle Sklaverei in den USA wurde zwar mit dem Civil Rights Act (1964) durch die Aufhebung der Rassentrennung abgeschafft, aber systematisch ist sie immer noch sichtbar im Alltag in Form von Farbenblindheit, Rassismus, Masseninhaftierung und-natürlich-Polizeigewalt.

Die Schuld hier auf Trump und die Republikanische Partei zu schieben, greift zu kurz. Vielmehr sollte gefragt werden, welches marode politische System für diese Ursachen verantwortlich ist.

Michelle Alexander schrieb in ihrem Buch „The New Jim Crow“ (2012) über die systematische Diskriminierung von Schwarzen bei Gerichtsfällen und den institutionellen Rassismus, dem sich Minderheiten in den USA auch heute noch ausgesetzt fühlen.

Möglichkeiten, dieses System zu ändern, bestehen sicherlich.

Zum einen muss das polizeiliche Training komplett „overhauled“, also runderneuert werden. In den USA gibt es ein sogenanntes „program 1033“, das von George W. Bush ins Leben gerufen wurde. Dieses Programm sorgt bis heute für eine militärische Aufrüstung der lokalen Polizeibehörden und gießt damit weiteres Öl ins Feuer des Problems.

Hier gilt es anzusetzen und diese Militarisierung der Gesellschaft abzubauen.

Das Dilemma hier: beide, Demokraten und Republikaner, haben bisher kein Interesse daran gezeigt, an den bestehenden Strukturen etwas zu ändern.

Inklusive dem gefeierten ersten schwarzen Präsidenten der USA, Barack Obama.

Eine andere Möglichkeit, anzusetzen, wäre, das Thema Rassismus und Sklaverei in den Mittelpunkt der Geschichtsschreibung in den USA zu rücken.

In US-amerikanischen Schulen werden diese Themen nur stiefmütterlich behandelt, und das wirkt sich eben besonders im „weißen“ Süden noch bis heute aus.

Und natürlich muss das gesamte Rechtssystem der USA auf ein neues Fundament gestellt werden.

Noch immer werden Minderheiten in den USA bei Gerichtsurteilen für kleinere Delikte und andere kleine Vergehen länger inhaftiert. Schwarze in den USA bilden 40 Prozent der gesamten Inhaftierten in den USA ab, obwohl sie nur 13 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Zudem haben sie eine sechsfach höhere Wahrscheinlichkeit, für Drogendelikte weggesperrt zu werden als weiße Mitbürger.

„Racial profiling“ und Polizei-Fahndungsmethoden wie „stop and frisk“ sind auch heute noch gängige Methoden der Polizei, die auf politische Entscheidungen zurückgehen.

Michelle Alexander fordert daher eine öffentliche Debatte darüber, wie das Rechtssystem der USA Masseninhaftierung und -diskriminierung aufrecht erhält und eine Rassenhierarchie ausgebildet hat.

In der polizeilichen Ausbildung sind sicherlich psychologisches Training und das Erlernen von Deeskalationsmethoden erste Maßnahmen, die einen Umschwung bewirken können.

Die Drogenkriege, die bereits unter den Präsidenten Richard Nixon und Ronald Reagan Einzug gehalten haben und auch vom Demokraten Bill Clinton fortgesetzt wurden, müssen beendet werden, Marihuana zumindest entkriminalisiert werden. Michelle Alexander hat in ihrem Buch beschrieben (vgl. Alexander: 2012, S. 252), wie zum Beispiel Obama durch die Wahl von Vizepräsident Joe Biden und Stabschef Rahm Emanuel in sein Kabinett diese Probleme des Drogenkriegs verschärft hat, da sowohl Biden als auch Emanuel große Befürworter des Drogenkriegs waren.

Das verspricht nichts Gutes für die Zukunft, sollte Joe Biden Trump als Präsident ablösen.

Daher ist auch nach diesem tragischen Mord an George Floyd klar, dass sich vorerst nichts ändern wird.

Die Ursachen wurzeln im System. Sie lassen sich nicht an der Oberfläche finden.

Weitergehende Literatur:

Alexander, Michelle: The New Jim Crow, Penguin 2019: München

Campaign Zero: https://www.joincampaignzero.org/solutions#solutionsoverview

Ist das Vertrauen endgültig verspielt?

In der sogenannten „Coronakrise“ erhalten Bewegungen abseits der etablierten einen unfassbaren Zulauf. Die Herrschenden und großen Gazetten gucken erst weg – und stürzen sich dann auf erste Schwierigkeiten. Das ist zu einfach. Denn ohne sich endlich fundamental selbst zu hinterfragen und seine eigenen Mechanismen zu überprüfen, können große Medienanstalten und Parteien ihre Deutungsmacht dieses Mal nicht mehr über die Krise retten.

Vor zwei Monaten war Bodo Schiffmann noch ein HNO-Arzt, der eine renommierte Praxis für Schwindelpatienten leitete. Auf seinem Youtube-Kanal erreichte er mit medizinischen Beiträgen zum Innenohr oder Hyperventilation im Durchschnitt ein paar Hundert Zuschauer. Heute ist der Schwindel-Experte eine der großen Galionsfiguren einer alternativen Bewegung, die in der von ihm mitgegründeten gegründeten Partei Widerstand2020 mündete. In mittlerweile 40 Videos über das Coronavirus analysiert der Arzt die politischen Maßnahmen und das Zahlenwerk des Robert Koch Instituts – und kritisiert die politischen Institutionen heftig. Mittlerweile zählt sein Kanal rund 110000 Abonnenten. Und seine Partei? Die ist mit einer Mitgliederanzahl von rund 100.000 (Stand 02.05.15:31 Uhr) bereits größer als die AfD (33.500), die Grünen (75300), Die FDP (63900) und die Linken (62000). Wo Partei hinsteuert, steht in den Sternen. Widerstand 2020 versteht sich als „Mitmach-Partei“, Schiffmann setzt in Sachen Parteiprogramm auf „Schwarmintelligenz“: Über ein Internet-Tool können Mitglieder selbst Forderungen in den Raum stellen, über die Basisdemokratisch abgestimmt werden soll. In eine konkrete Richtung wollen die „Widerständler“ bereits gehen: In eine neue Debattenkultur. Ein Redner müsse etwa den Vorredner erst wiederholen und verstehen, bevor er selbst zu seinen Argumenten ausholen darf, erklärt Schiffmann im Interview bei KenFM.

Das schreit doch nach Futter für die Medien! Denkste…der Mainstream hüllt sich erst in Schweigen, obwohl Schiffmann in einem Livestream davon sprach, sowohl die öffentlichen Medien als auch die privaten großen Medienhäuser angeschrieben und ein Gespräch angeboten zu haben. Zu sehen oder Lesen war der Neu-Politiker dort lange nicht. Bis…naja bis die ersten Schwierigkeiten auf die neue Partei warteten. Vor zwei Tagen verkündete MItgründerin Victoria Hamm ihren Rücktritt. Es seien Entscheidungen getroffen worden, die sie nicht unterstütze – so begründet sie auf ihrer Facebook-Seite ihren Austritt. Tage zuvor habe es immer wieder Hackerangriffe auf die Website gegeben, berichtet Schiffmann in einem Video. Die Hackergruppe „Anonymous“ brüstet sich damit, für diese verantwortlich zu sein. Sie überlasteten die Server und brachten die Seite mehrfach zum Absturz. Außerdem will die kriminelle Bande aus geklauten Daten herausgelesen haben, dass 95 Prozent aller angegebenen Mitgliederzahlen Fake seien. Die Partei bestreitet nicht, dass es Fake-Anmeldungen gibt. Es werde versucht, solche herauszufiltern und zu löschen, was viel Zeit benötige, erklärt Schiffmann. Die Partei geht, anders als die Hackergruppe. von einer „Fake-Rate“ von rund 10 Prozent aus. Auch auf einen weiteren „Angriffspunkt“ fokussierten sich die etablierten Medien zuletzt in ihrer Berichterstattung zu Widerstand 2020. Etwa berichteten Deutschlandfunk oder t-Online , Widerstand 2020 sei überhaupt keine Partei, sondern letztlich eine Bewegung. Die aufgeführten Gründe stimmen: Ein Parteiprogramm über einen Protest-Anlass hinaus gibt es noch nicht. Außerdem taucht Widerstand 2020 bislang nicht in Wahlkarteien auf. Orts-Kreis und Landesverbände gibt es ebenfalls noch nicht.

Die „selbsternannte“ Partei

Es ist nicht schwer zu interpretieren, dass Medien die Bedeutung der Partei/ Bewegung mit Bezeichnungen wie „selbsternannte Partei“ abschwächen wollen. Natürlich ist Widerstand 2020 noch keine offizielle Partei. Allerdings sollte man dann schon fair bleiben, bevor man über die Bewegung ein Urteil fällt. Erst seit rund drei Wochen ist die Idee der Parteigründung Widerstand 2020 überhaupt öffentlich bekannt. Es benötigt Zeit, Strukturen aufzubauen, diese genehmigen zu lassen – geschweige denn Ideen zu einem Parteiprogramm auszuarbeiten, das letztlich zur Abstimmung gebracht werden soll. Hackerangriffe auf die Website, überfüllte Email-Postfächer und nicht zuletzt eigene Berufstätigkeit der Gründer beschleunigen diesen Prozess nicht gerade. Kurioserweise kommen Schwierigkeiten hinzu, die aus eben den Corona-Verordnungen der Regierungen resultieren, aus denen sich Widerstand2020 erst gebildet hat. Kontakt-und Versammlungsverbote erschweren es, schneller lokale Strukturen aufzubauen oder erste Programmpunkte zu diskutieren. Neue Mitglieder können sich nur digital registrieren. Sie können sich nicht einfach nach ihrer Anmeldung in einer Ortsgruppe Angesicht zu Angesicht mit Mitgliedern treffen, um den Verdacht einer „Fake-Anmeldung“ sofort aus dem Weg zu räumen. Stattdessen sind IT-Kenntnisse vonnöten, diese „Fakes“ schneller ausfindig zu machen und auszusortieren.

Ziemlich sicher ist doch aber: es wird eine neue Partei geben. Wie ihr Programm aussehen wird, wie viele Mitglieder dieses dann noch mittragen wollen, wer an welchen Stellen Aufgaben übernimmt und ob die Partei auch über das Thema Corona hinaus eine tragende Rolle in der Politik einnehmen kann, ist eben abzuwarten. Doch stattdessen verschweigen die Medien einige Tage lang die offensichtlich große Sehnsucht nach einer anderen Art von Politik. Nur um darauf zu warten, sich wie Tiger auf erste aufkommende Schwierigkeiten zu stürzen, für die Widerstand 2020 nur bedingt etwas dafür kann. Zu kam beispielsweise der Vorwurf auf, die Partei würde zu anonymen Spenden aufrufen – was laut dem Parteiengesetz verboten ist (Und plötzlich ist Widerstand 2020 wieder eine Partei , und zwar keine „selbsternannte“). Tatsächlich spricht Schiffmann in seinen Videos von anonymen Parteispendern – vor allem Ärzte und Juristen – die sich dem Protest still anschließen würden. Aufgrund der Befürchtung, ihre Kritik an den Corona-Maßnahmen würden berufliche Schwierigkeiten zur Folge haben, seien die Namen dieser Geldgeber nicht öffentlich bekannt, erklärt Schiffmann. Doch all diese Spenden würden sowieso unter dem Betrag von 500 Euro liegen. Solche „Kleinspenden“ können gemäß dem Parteiengesetz auch anonym angenommen werden. Diese Klarstellung seitens Schiffmann vermerkten etablierte Medien immerhin. Es überrascht jedoch wenig, dass Etablierte sich nicht an das Phänomen Widerstand 2020 herantrauen, ohne pure Kampfbegriffe wie „Verschwörungstheoretiker, Extremisten (Der Mainstream ist sich noch uneinig, ob Widerstand2020 links-oder rechtsextremistisch ist), Impfgegner, Esotheriker, „Wirrköpfe“ (Zitat Reinald Becker, ARD Chefredakteur in den ARD Tagesthemen) oder klassisch Populisten zu verwenden. Der Begriff des Populismus wird sich, denke ich, als gängigste Vokabel in diesem Begriffskrieg etablieren.

Weil niemand der Etablierten mit Schiffmann sprechen will, spricht er auf anderen Portalen – was ein Skandal!

Kurios ist aber auch, dass beispielsweise der Deutschlandfunk Bodo Schiffmann vorwirft, er habe „Verschwörungsplattformen“ wie Ken FM und NuoViso Interviews gegeben. Sprich: Wenn also etablierte Medien es nicht für notwendig befinden, selbst mit Schiffmann Interviews zu führen, dann darf dieser gefälligst auch mit anderen Plattformen sprechen. Ist das die Denkweise? Wohl nicht. Es ist mehr der Versuch, seine eigene Zielgruppe an seinem Angebot festzukrallen – und der Ton wird immer schärfer, damit das gelingt. Zugegeben: KenFM, NuoViso, RT deutsch, der Rubikon und weitere sind keine Medien, die objektiven Journalismus betreiben. Ihr Angebot ist eher als Aktivismus zu verstehen, der mittels journalistischen Methoden verdeutlicht und argumentiert wird. Das sollte man wissen, ohne die Alternativen pauschal als „Verschwörungstheoretiker“ abzukanzeln. Im Netz entstehen alternative Meinungen und Denkanstöße. Im Mainstream verpönte Gesprächsgäste wie der Lungenarzt Wolfgang Wodarg kommen zu Wort, gerade weil diese in den etablierten Medien keine Möglichkeiten mehr haben, sich überhaupt zu äußern. Dass es diese neuen Formen von aktivistischem Journalismus gibt , ist sogar notwendig. Wenn Alternative und Etablierte ihre Begriffskriege beiseite lassen würden, könnte tatsächlich eine friedliche Koexistenz zweier journalistischer Lager nebeneinander existieren, die den Fokus eben auf unterschiedliche Dinge richten. Diese sich stark unterscheidenden Fokussierungen könnten die Demokratie bestärken und nicht gefährden. Dazu werdet ihr in Zukunft noch mehr auf unserem Blog lesen.

Widerstand 2020 ist keineswegs die einzige große Bewegung, die sich während der Corona-Zeit herauskristallisiert hat. Die Initiative „Ich bin anderer Meinung“ ist dabei, zu einem „gemeinnützigen Verein“ zu werden, heißt es auf der Website der von Klaus Pertl und Lothar Hirneise gegründeten Bewegung. Sie fordern in Zeiten des Coronavirus einen unabhängigen Expertenrat, der die Bundesregierung berät und in der viele unterschiedliche wissenschaftliche und fachliche Betrachtungsweisen hinsichtlich der Pandemie diskutiert werden könnten. Darüber hinaus kritisiert die IBAM besonders die Parteienlandschaft an sich. Politiker sähen sich in erster Linie ihrer Partei, nicht dem Bürger verpflichtet, heißt es auf der IBAM-Website. Anders als Widerstand2020 geht IBAM der Parteienlandschaft also aus dem Weg.

Demonstrationen gegen die Corona-Verordnungen erhalten ebenfalls mehr und mehr Zulauf – in mehr und mehr Städten. Knapp über 10.000 Menschen versammelten sich am Samstag auf dem Gelände des Canstatter Wasn in Stuttgart. Die Demonstration war sogar für 15.000 Menschen angemeldet, was die Stadt aufgrund der einzuhaltenden Abstandsregeln jedoch nicht erlaubte. In Berlin, München und mittlerweile vielen kleineren Städten gibt es seit Wochen regelmäßig Kundgebungen. Die sogenannten „Hygiene-Demos“ in Berlin wurden vor rund fünf Wochen vom ehemaligen taz-Journalisten Anselm Lenz initiiert. Daraus gründete sich die Bewegung „nichtohneuns“, die vom Zusammenbruch des Finanzsystems spricht und über dessen Neu-Erschaffung der Bürger mit entscheiden solle. Die Protest-Zeitung „Demokratischer Widerstand“ würde nach Lenz‘ Angaben bereits in einer Auflage von über 300.000 Exemplaren gedruckt und verteilt. Etablierte Medien reagieren auf die Proteste „überraschenderweise“ mit Diffarmierungen. Auf den Demonstrationen würden sich Rechts-und Linksextreme, Impfgegner, radikale Verschwörungstheoretiker tummeln – alles, was irgendwie böse ist eben. Ich will nicht in Abrede stellen, dass auch Menschen an den Protesten teilnehmen, auf die solche Bezeichnungen möglicherweise zutreffen. Dennoch ist es faszinierend, wie schnell die etablierten Medien eine ganze Masse vermeidlich analysieren und sofort gesamtpolitisch einordnen könnnen Man könnte meinen, eifrige Journalisten hätten in Windeseile mit den Demonstranten geredet, ihr politisches Weltbild nachgezeichnet und sorgfältig in Clustern einsortiert. Und das innerhalb von vier Wochen. Das dürfte als die schnellste großangelegte politikwissenschaftliche Studie aller Zeiten in die Wissenschaftsgeschichte eingehen. Respekt…

Außerdem: Nehmen wir mal an, es würden wirklich nur all diese „Radikale“ gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren und dabei auf das Grundgesetz hinweisen. Was würde das ändern? Es ist kein Argument zu sagen: Diese Proteste sind non sense, weil Teilnehmer diesem und jenem Lager angehören. Wo bleibt die inhaltliche Debatte? Warum überhaupt noch auf die Straße gehen? Schließlich reichen doch ein paar rechtsradikale Mitläufer aus, alle verbreiteten Botschaften plötzlich als illegitime Meinung darstellen zu können. Und das, obwohl das Thema überhaupt nichts mit rechten oder linken Ideologien zu tun haben muss. Die Labels, die der Mainstream den Demonstrationsteilnehmern anklebt, haben mit dem eigentlichen Protest-Thema hinsichtlich der Corona-Maßnahmen wenig bis gar nichts zu tun.

Allgemein lässt sich festhalten, dass etablierte Kräfte, Medien wie Politiker digitale Bewegungen noch mehr fürchten, als ohnehin schon. Sie fürchten um ihre Deutungsmacht – aus gutem Grund.

Die „Coronakrise“ mobilisiert Bewegungen, die vermutlich sogar alles übersteigen, das wir von rebellierenden Jugendlichen in der 68er-Bewegung von unseren stolzen Eltern erzählt bekommen: Die akademische Jugend kämpfte Seite an Seite für Frieden, liberale Werte, Frauenrechte machen auf Umweltprobleme aufmerksam. Weil die Bundesregierung in Bonn angeblich aufgrund dieser Proteste schlimme Ausschreitungen und Gewaltpotenzial der Jugend fürchtete, führte sie 1968 die Notstandsgesetze ein. Die Jugendlichen marschierten auf, sie sahen ihre Grundrechte in Gefahr – auch die heute gefeierte Jugend galt in vielen Teilen der bevölkerung damals als verrückt, gefährlich und verwirrt. Heute kommt ein solcher „Notstand“ zur Anwendung – jedoch in Form eines Infektionsschutzgesetzes.

Aufruf zum Steinmarsch 1968 in Bonn gegen die Einführung der Notstandsgesetze /copyright Wikipedia/gemeinfrei

Wie sich die jetzige Corona-Situation von der 68er Zeit unterscheidet, liegt auf der Hand. Damals wurden traditionellen Werte, an die sich insbesondere Ältere, kriegsgebeutelte Menschen in der BRD längst gewohnt hatten und die ihnen eine Form der Sicherheit bescherte, in Frage gestellt. Heute ist folgendes der Grund für den reflexartigen Aufschrei: Innerhalb weniger Tage wurde Menschen mit dem Instrument der Angst sämtliche Gewohnheiten, Grundrechte und Freiheiten weggenommen – und zwar ohne klare Aussicht, wann diese wieder in Kraft treten werden. Die politischen Entscheidungen während der „Coronakrise“ wirken sich auf unser aller Leben aus. Sie hatten damit von Beginn an das Potenzial, einen großen der Bevölkerung auf die Barrikaden zu bringen. Ist eine große Menge an menschen betroffen, wecken die Außwirungen ihre politischen Sinne. Aber immer braucht es Anführer einer Alternativbewegung sowie Aufklärung über andere Sichtweisen.

Die Gegenbewegung war Anfang März kaum sichtbar – im Gegenteil. Prominente posteten etwa auf ihren Social-Media Kanälen gebetsmühlenartig Aufrufe, jeder solle doch bitte brav zuhause bleiben und damit „Leben schützen“. Wer wolle schon verantwortlich dafür sein, wenn Opa an einem Erreger stirbt, den man als Enkel von einer wilden Partynacht in die Familie eingeschleppt hat? Medien, Anfang des Jahres noch überzeugt, das Virus würde Europa gar nicht treffen, erhöhten mit Schock-Bildern aus Italien den Druck auf die Bundes-und Landesregierungen. Schnell stehen Maßnahmen im Raum, die über Hygienehinweise und Isolierung der Erkrankten und Urlaubsrückkehrer hinausgehen. Aus der Angst heraus, war die Bevölkerung bereit, einen starken Staat nicht nur zu akzeptieren, sondern gar zu fordern. Mitte März stiegen die Umfragewerte der Union von 27 Prozent auf 38 Prozent rasant an – inmitten der Beschränkungdiskussionssorgien (Sorry, kleine Spitze) der Bundesländer hinsichtlich Verboten von Massenveranstaltungen (9. März), Schul-und Kita-Schließungen (16. März) und der Kontaktsperren (23.März). Es wundert nicht, dass die Union auf dieser Erfolgswelle nicht daran dachte, ernsthaft zu einer wissenschaftlichen Aufklärung über die Gefährlichkeit des Virus beizutragen. Schließlich hätten weitere Erkenntnisse auch im Mainstream Zweifel am Kurs der Regierungen aufkommen lassen können. Es war alles so angenehm: Die Opposition war still, demonstrieren war sowieso verboten und die Medien kümmerten sich mit dem moralischen Zeigefinger um jeden, der leiseste Zweifel am Kurs der Regierung äußerten. Denken verboten, jetzt geht`s um die Gesundheit! Läuft doch wie geschmiert für das Politiker-Ego! Nach mir die Sintflut…

Surfen auf dem Umfragehoch

Die Politik in der Coronakrise spiegelt ein riesiges Problem unserer Demokratie und unserer Medien wider: Die reflexartige Anpassung von Stil und Sprache auf kurzfristige und schnelllebige Bilder und Ereignisse. Das mündest in Strategielosigkeit und fehlender Weitsicht. Angela Merkel fährt seit ihrem Amtsantritt eine Strategie der Konfliktvermeidung – und das ist tödlich für unsere Demokratie. Chamälionartig passt sich die Union den vorherrschenden Strömungen im Land an. Merkel passt ihr Image jedoch erst dann an, wenn sie in etablierten Medien Gefahr läuft, unter Druck zu geraten. Die Alternativen Medien lässt die Kanzlerin fast gänzlich außer Acht – ein blinder Fleck, der die Chance bietet, zumindest über beidseitig informierte ein neues Demokratieverständnis zu etablieren. Die Etablierten ihrerseits setzen immer stärker auf emotionale Botschaften wie Schreckensbilder, Ausschlachtung von Katastrophen wie Terroranschläge oder Kampfbegriffe wie „Verschwörungstheoretiker“ und „Corona-Leugner“. Die Bedeutungen von Wörtern, etwa „Sexismus“ und „Rassismus“ werden inflationär gebraucht – wodurch sich deren Bedeutungen und Aussagekraft verwässert. Der einzelne Journalist ist nicht das Problem: Es ist das gewinnorientierte System, das auf Klicks und Werbeeinnahmen angewiesen ist. Dafür braucht es Reize und Emotionalisierende Trigger, die ins Auge springen. Diese Botschaften nutzt Merkel schnell für sich aus, um in einer aufgeladenen Stimmung schnell die kurzzeitig populäre Lösung parat zu haben – das ist Populismus in Reinform.

Beliebtheitswerte und Machterhalt stehen auch in Demokratien immer im Interessenszentrum von Führungspersonen. Die Coronakrise zeigt leider, dass man für kurzfristige Zustimmung sogar Grundrechte außer Kraft setzt, nur um auf einer Zustimmungswelle zu surfen. Die Konsequenzen des Handelns scheinen den Verantwortlichen dabei gänzlich egal zu sein – nach der Krise wird schließlich etwas anderes die Medien beschäftigen. Medien arbeiten mit Aktualität – und nicht mit dem Blick zurück. Von den Scherben, die aus den Corona-Verordnungen entstanden sind, werden die Promis mit den „bleib zuhause-Hashtags“ weitestgehend verschont bleiben. Investigative Aufklärung, ob all diese Maßnahmen verhältnismäßig und vor allem unabhängig getroffen wurden – wird von den Etablierten eher weniger zu erwarten sein. Die verheerenden Auswirkungen der Corona-Verordnungen aber bleiben dennoch sichtbar – den Blick durch die Medien braucht man dafür nicht mehr. Ein Blick in leere Geschäfts-Flächen in der Innenstadt reicht aus, um zu sehen, dass diese Maßnahmen weitreichende Folgen haben. Und das ist nur der Anfang. Anders als bei der Bankenrettung 2008, dem schlingernden Kurs in der Flüchtlingspolitik oder der Energiewende richtete der Populismus der Regierungen dieses Mal einen für alle unmittelbar sichtbaren Schaden an – hunderttausende sind direkt Betroffenen. Das erzeugt Wut, die sich hoffentlich in friedlichen und demokratischem Widerstand kanalisiert. Wenn das passiert, ist das historische eine Chance, einen wirklichen Kurswechsel aus der Bevölkerung heraus anzustoßen.

Die grundsätzlichen Diskussionen verschieben sich in`s Netz

Die Zeit der Politiker, die in den großen Gazetten auftauchen müssen, um bekannt und geschätzt zu sein ist beinahe vorbei.

Medienangebote wie Jung und naiv und KenFM, der Rubikon oder die Nachdenkseiten erreichen mittlerweile hundertausende Hörer und Leser – vor allem Enttäuschte, politisch interessierte Menschen, die das Große und Ganze betrachten wollen – und dementsprechend von der alteingesessenen Presse enttäuscht sind. Auf die neue Konkurrenz reagieren die Medien nicht mit Änderungen ihres Angebots, sondern mit Spott, Arroganz und Kampfbegriffen. Sie haben die Entwicklungen offensichtlich nicht verstanden: Denn anders als Merkel, passen sich die im Netz aktiven Menschen kaum mehr an die Botschaften des massenmedialen Journalismus an.

Aus der Coronakrise kann sich die Bundesregierung nicht mehr derartig herauswinden, denn aufgrund kollektiver Betroffenheit mobilisieren sich nun Menschen aus allen Lagern, um einen Misstand zu beseitigen. Das Thema ist nicht die Flüchtlings, Euro oder Klimapolitik, sondern unsere gemeinsame Diskussionsbasis: Das Grundgesetz. Es ist zumindest zu hoffen, dass die Arroganz der Macht dieses Mal zu Fahrlässigkeiten geführt hat, das viele zum Erwachen gebracht hat – und zwar über die Krisenzeit hinaus.

Journalismus braucht keine Begriffskriege, sondern Offenheit!

Wir, die Gründer der Generaldebatten halten es schon länger für notwendig, nicht nur politische Praktiken und Strukturen zu überdenken, sondern auch den Journalismus, wie wir ihn bisher kannten. Durch die Krise haben wir die Möglichkeit, vieles neu zu gestalten und unser Denken zu optimieren.

Auch der Journalismus braucht unserer Ansicht nach bessere Möglichkeiten für die Leser, nicht nur zu kommentieren, sondern auch zu kreieren und kontrollieren. Medien verstehen sich als Kontrollinstanz, der vierten Gewalt – und damit als elementaren Bestandteil der demokratischen Struktur. Das erfordert ein hohes Maß an Transparenz und Kontrolle. Die Generaldebatten sind ein Experiment, eine neue Form des Journalismus zu etablieren und mittels Gastbeiträgen auch Sichtweisen abbilden zu können, die wir selbst in unseren Beiträgen nicht abdecken. Das ist eine Form äußerlicher Kontrolle, die uns vor zu einseitiger Berichterstattung bewahren soll. Dem Gebot der Objektivität kann man sich nur als Ganzes, nicht als Einzelner annähern. Also: Macht mit und bleibt uns erhalten, wenn ihr wollt!

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