Ukraine-Konflikt und kommende Sanktionen gegen Russland: Die EU ist der größte Verlierer

Am Montag ist es also klar geworden: Russland entsendet tatsächlich Soldaten in die Ostukraine. In einer Fernsehansprache verkündete Präsident Putin die Anerkennung der abtrünnigen Republiken Donbass und Lugansk und spricht von „Friedenstruppen“, die das Seperatistengebiet sichern sollen. Auch wenn Russland nun Sanktionen von allen Seiten drohen, ist der größte Verlierer der eurasischen Spaltung die EU. Genauer gesagt ist es der einfache Verbraucher und Steuerzahler, der die geostrategischen Spielchen bezahlen wird. Auch wenn Putins Schachzug ein wenig überrascht, wäre die Eskalation zu verhindern gewesen. Ein Kommentar.

Die Schnappatmung des Westens ließ nach der Ansprache Putins zur Anerkennung der abtrünnigen Volksrepubliken Donbass und Lugansk nicht lange auf sich warten. Für unsere dogmatisch transatlantische Medienlandschaft steht bereits fest, dass dieses Manöwer als „Kriegserklärung“ an die Ukraine zu werten ist. Da haben wir ihn endlich: Den lange herbeigesehnten und von US-Geheimdiensten bereits fälschlicherweise angekündigten „Angriff“ Russlands auf die Ukraine. Dieses Narrativ stimmt allenfalls nur teilweise. Die Unterstützung von Seperatisten, die nun einmal in der Ostukraine das Sagen haben ist erst einmal kein „Angriff“. Vielmehr werden russische Soldaten ohne Gegenwehr in abtrünnige Gebiete hineingelassen, in denen das Manöver vergangene Nacht sogar von den Menschen gefeiert wurde. Es findet derzeit keine Gewalt vonseiten russischer Truppen statt, auch wenn die Republiken völkerrechtlich nicht als Staat gelten und russische Soldaten rein formal natürlich in der Tat ohne Genehmigung von Kiew in ein „fremdes“ Land geschickt werden. Im Grunde lässt sich dieses Ereignis mit der Anerkennung des Kosovo seitens der NATO-Staaten vergleichen. Auch dort wurden ausländische Truppen stationiert, obwohl der Kosovo bis heute nicht von allen Staaten als unabhängig von Serbien deklariert wurde. Die Empörung des Westens gegenüber Russlands ist also allein machtpolitischer Natur. Hier geht es keineswegs um die Verteidigung von Prinzipien.

Wie im Vorfeld vom Westen angekündigt muss sich Russland nun auf empfindliche Sanktionen einstellen, etwa will London das Vermögen russischer Oligarchen einfrieren. Auch die EU bereitet ein Sanktionspaket vor. Den größten Hammer jedoch verkündete die Bundesregierung. Diese will die bereits fertiggestellte Gaspipeline Nord-Stream 2 zwischen Deutschland und Russland vorerst nicht in Betrieb nehmen.

Das verwundert nicht, kündigte doch US-Präsident Joe Biden nach seinem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz netterweise stellvertretend diesen Schritt im Falle einer Invasion Russlands in die Ukraine bereits an. An den kommenden Sanktionsorgien gibt nun einen entscheidenden Haken: Putin weiß genau, was ihm vonseiten des Westens blüht. Er weiß jedoch auch genau, dass die EU am Ende als größter Verlierer dasteht.

Das Ende von Nord-Stream 2: Eine Katastrophe für den Endverbraucher

Schauen wir uns exemplarisch dazu die Gassituation in Deutschland an. Auch ohne Nord-Stream 2 erhält die Bundesrepublik rund 40 Prozent ihres Gasverbrauchs aus Russland. Explodierende Gaspreise in diesem Winter machen Verbrauchern zu schaffen. Weil Gashändler Energie zu russischen Pauschalpreisen einkaufen und verteuert zu Marktpreisen nach Polen und in die Ukraine zurückpumpen sind auch die Gasspeicher historisch niedrig gefüllt. Deutschland braucht aufgrund des Kohle-und Atomausstiegs eine zuverlässige Brückentechnlologie zur Stromerzeugung – und die Bundesregierung hat sich für Gas entschieden. Nord-Stream 2 sollte zusätzliche Kapazitäten schaffen, ohne dass die Pipeline durch andere Länder verläuft, die illegalerweise Gas abzapfen könnten, wie dies die Ukraine etwa bereits im Jahr 2005 getan haben soll. Deutschland hat zu Nord-Stream 2 nur wenig Alternativen. Optionen wären im Grunde nur die Wiederauflebung der Atomenergie oder der Import von verteuertem Fracking-Gas aus den USA. Das grün-geführte Wirtschaftsminiserium wird sich eher die Hände abhacken, als das ureigene Parteienthema der bösen Atomkraft plötzlich in Frage zu stellen. Also wird das Fracking-Gas aus den USA die Lösung sein, das nicht nur wesentlich teurer ist, sondern auch noch ökologisch schädlicher. All das haben wir bereits in diesem Artikel ausführlich beschrieben.

Dass die EU jetzt noch unter den Sanktionen in Folge der Krimkrise 2014 leidet, verdeutlicht folgendes Beispiel. Als Reaktion auf die EU-Sanktionen verhängte der Kreml ein Landwirtschaftsembargo: Lebensmittel aus der EU, allen voran aus Deutschland, dürfen bis heute nicht nach Russland importiert werden. Whährend Russland heute der größte Weizenexportueur der Welt ist, leidet die deutsche Landwirtschaft stark – besonders unter den wegfallenden Milchexporten. Darüber hinaus steigen seitdem auch in Deutschland die Lebensmittelpreise. Auch hier zeigt sich wieder: Handel und Kooperation ist besser als Konfrontation und Spaltung. Dies könnte sich nach der neuesten Eskalation in der Ukraine nochmals deutlich verschlimmern.

Qui bono?

Die klassische Frage lautet also: Qui bono? Dass die EU der Hauptverlierer in dieser Angelegenheit sein wird, steht meiner Ansicht nach außer Frage. Selbst ohne die Abhängigkeit von russischem Gas ist es sicherheitspolitisch alles andere als klug, sich in Konfrontation mit dem militärisch starken Nachbarn Russland zu begeben.

Auch Russland kann nicht als Gewinner des Konflikts gewertet werden, denn auch sie zahlen mit ihrem jüngsten Manöver den Preis der eurasischen Konfrontation. Jedoch kann Putin immerhin innenpolitisch punkten, indem er russische „Brüder und Schwestern“ in der Ukraine unterstützt und sogar einen hohen Preis dafür bezahlt. Die Sanktionen werden Russland nicht so hart treffen wie Europa. Russland orientiert sich wirtschaftlich längst in Richtung China. Im November 2019 ging die Gazprom-Pipeline „Sila Sibiri“ (Stärke Sibiriens) in Betrieb. China und Russland schlossen einen 30-Jahre-Vertrag mit einem Gesamtvolumen von 400 Milliarden US-Dollar. Diese Pipeline ist übrigens rund fünf Mal so teuer wie das Projekt Nord-Stream 2. Es ist das größte von vielen Projekten, mit denen Russland auf dem Weg ist, den chinesischen Energiemarkt weiterhin zu dominieren.

Der größte Profiteur ist gleichzeitig der, den der Konflikt rein geographisch am wenigsten trifft: Die USA. Die Abtrennung von Europa und Asien zählt seit Jahrhunderten zu den gängigsten Strategien der Seemächte USA und Großbritannien, um geographische Nachteile zu überspielen und Konkurrenten gegeneinander auszuspielen. Nord-Stream 2 scheitert – wir haben Fracking-Gas! Russland fährt Truppen an der Westgrenze auf – wir schicken euch teure Waffen! Ihr seid mit eurer (prorussischen) Regierung unzufrieden – wir senden euch Geld, Personal und mediale Unterstützung! Man muss kein Experte sein, um zu verstehen, dass der Ukraine-Konflikt von Beginn an auch ein Produkt der US-Geostrategen war. Die Maidan-Aufstände wurden von den USA unterstützt und führten letztendlich zu einem Putsch gegen den demokratisch legitimierten prorussischen Präsidenten Wiktor Janukovich.

Russische Forderungen abgelehnt

Es verwundert nicht, dass in den Verhandlungen der vergangenen Wochen russische Forderungen nach einem Truppenabzug von US-Streitkräften aus Polen und dem Baltikum von den USA kategorisch abgelehnt wurden. Russland wäre bereit gewesen, Truppen auf seinem eigenen Terretorium abzuziehen, wenn die USA Truppen auf fremden Terretorien abzieht – eigentlich ein guter Deal. Eine friedliche Lösung war seitens der USA nie angedacht – und nun sind sie schließlich der Hauptprofiteur der Eskataltion.

Genauso verhält es sich bei der seit Ende der 1990er stattfindenden NATO-Ostererweiterung. In den Verhandlungen nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 sagte der Westen mehrmals zu, die NATO nicht nach Osten erweitern zu wollen. Daraus folgte jedoch kein schriftlicher Vertrag, weswegen transatlantische Medien in dieser Beziehung gerne von Fake-News sprechen, dass die Osterweiterung gegen frühere Zusicherungen des Westens gegenüber Russlands verstoßen würde. Nach dem Zerfall Jugoslawiens und der Aufnahme Polens und der baltischen Staaten in das ehemalige Verteidigungsbündnis versucht Putin spätestens nach dem Machtwechsel in der zum Teil russisch-kulturellen Ukraine rote Linien zu ziehen. Russland sieht sich als Schutzmacht der seperatistischen Republiken Donbass und Lugansk – und riskiert mit dem Einzug von Truppen in diese Gebiete die letzten verbliebenen europäisch-russischen Beziehungen, um auch innenpolitisch die Glaubwürdigkeit zu behalten, die russische Minderheit in der Ukraine zu schützen.

Europa schafft sich selbst ab

Europa ist selbst Schuld am Niedergang seiner eigenen Interessen. Bereitwillig beteiligte sich im Herbst etwa die ehemalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp Karrenbauer an einer „Abschreckungsdoktrin“, NATO-Nuklearbomber im Baltikum und in der Schwarzmeerregion Atombombenabwürfe trainieren zu lassen. Schon im vergangenen Jahr flog das vom Westen aufgerüstete ukrainische Militär Drohnenangriffe in den Donbass. Britische Kriegsschiffe schipperten vor der von Russland besetzten Halbinsel Krim und standen nach Aussagen Russlands kurz vor dem Beschuss. Von europäischen Amtsträgern kam kein kritisches Wort zu solchen Provokationen. Es scheint, als wurde Russland durch die ukrainische Regierung und die NATO so lange provoziert, bis eine harte Reaktion zurückkommt. Und nun kann das transatlantische Bündnis endlich ein neues Kapitel aufsschlagen: Die komplette Abtrennung Europas von Russland.

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands hat es Europa verpasst, eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur mit Russland anzustreben – trotz mehrerer russischer Annäherungsversuche wie etwa Putins Rede im Bundestag 2001. Hierzu empfehle ich einen Vortrag des Politikwissenschaftlers Michael Lüders. Nein, Europa war nie am Frieden im Osten interessiert und handelt aus ideologisch-transatlantischer Verblendung konsequent gegen die eigenen Interessen. Und während sich unsere Scharfmacher Baerbock, Röttgen, Trittin, Özdemir und viele mehr in transatlantischen Think-Tanks wie der Atlantik-Brücke US-Interessen unterwerfen, bezahlt der einfache Bürger wieder einmal den Preis. Europa: Werd‘ erwachsen!

Veröffentlicht von chsscha

Freidenkender Schreiberling, der sich um Zukunftsfragen Gedanken macht und Fragen stellt, die nicht in Dauerbeschallung durch die Kanäle der Republik gepeitscht werden. Ich bin Mitgründer und Administrator des Gemeinschaftsblogs www.generaldebatten.com. Auch findet ihr uns auf unserem Youtube-Channel "knallhart durchgeleuchtet". Viel Spaß beim Durchstöbern unserer und meiner Inhalte!

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