Eine neue Corona-Welle ist im Gange und prominente Figuren sind sich nicht zu schade, überlastetes Personal und volle Kliniken Ungeimpften anzuhängen. Das ist nicht nur hetzerisch, sondern schlichtweg grob irreführend. Weder die Pandemie an sich noch die Impfunwilligen können für Personalmangel, geschlossene Krankenhäuser und nachzuholende Behandlungen verantwortlich gemacht werden – sondern einzig die Politik.
Viele Krankenhäuser sind am Limit, heißt es in unzähligen Schlagzeilen der Republik. Hauptächlich wird dafür die Corona-Pandemie verantwortlich gemacht – ein übliches Spiel, obwohl wir in diesem Artikel bereits vergangenes Jahr die weit zurückreichende Historie des Peronalmangels in Kranken-und Altenpflege ausführlich beschrieben haben. Nun kommt aber ein besonders gern gesehener Sündenbock dazu, der nun von Leitmedien und Politik für ein immer maroder werdendes Krankensystem verantwortlich gemacht wird: Der Ungeimpfte.
„Welt“-Redakteur Robin Alexander vermutete in der ZDF-Sendung Markus Lanz, das Krankenhauspersonal hätte „mittlerweile die Faxen dicke“ und würde nicht verstehen, ihre Arbeit für Leute weiterzumachen, die sich nicht impfen ließen und nun ein Krankenbett benötigen. In ein ähnliches Horn bließ in der Sendung Ethikratsvorsitzende Alena Buyx, die anonyme Krankenhausmitarbeiter indirekt zitierte und nahelegte, dass Ungeimpfte am Frust des Personals einen erheblichen Anteil hätten. Auch die Deutsche Klinikgesellschaft berichtet von Arbeitern, die nicht länger bereit seien, sich für Ungeimpfte in den Kliniken abzurackern. Philip Scupin von RTL Hauptstadtbüro wendet sich stürmisch in einem offenen Brief an Ungeimpfte. Die Kernaussage: Jeder Impfunwillige solle sich doch die Bilder auf den Intensivstationen aus dem vergangenen Jahr anschauen – und sich schämen, dass wegen ihnen diese Szenen weiterhin Realität seien. „Ärzte und Pfleger zahlen den Preis für Ungeimpfte“, schimpft die Edelfeder des Moralismus. Sich nicht impfen zu lassen sei „herzlos“ und „unsozial“. Die Anschuldigungen an Ungeimpfte gehen so weit, dass etwa Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow offen darüber spricht, Impfverweigerern im Fall einer Überbelastung des Gesundheitswesens pauschal zu triagieren, sollten sie mit Covid-19 eingeliefert werden.
Sorgen die Impfunwilligen wirklich für massive Überbelastung?
In der Tat wurden dem DIVI-Intensivregister im November über 1.400 Betten weniger gemeldet, als zu Jahresbeginn. Die Vereinigung macht dafür tatsächlich einen erhöhten Personalmangel verantwortlich, sodass weniger Betten betrieben werden könnten. Eine Umfrage der DIVI hat laut der Vereinigung ergeben: „Vor der anstehenden Herbst- und Winterwelle der COVID-19-Pandemie mit zu erwartender hoher Belastung für das Personal sind somit bereits heute 20 Prozent der maximal betreibbaren High-Care-Betten und 35 Prozent der Low-Care-Betten gesperrt.“
Hätten Ungimpfte diesen Zustand mit zwei Piksen wirklich maßgeblich verringern können? Genaue Daten dazu fehlen. Nirgends behandeln Studien die Kündigunsgründe von Krankenhauspersonal während der Pandemie. Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass der Personalrückgang schon viel früher einsetzte – zu einer Zeit, in der an einen Impfstoff noch gar nicht zu denken war. Allein in der ersten Frühlingswelle 2020 ging die Anzahl der Beschäftigten im Pflegesektor laut einer Bundestags-Anfrage der Linken um 9.000 zurück.Dieser Trend wurde vermutlich bis heute nicht aufgehalten. Wann und warum die Arbeiter während der Pandemie so zahlreich gekündigt haben – dafür scheint sich niemand ernsthaft zu interessieren. Mögliche Gründe dafür haben wir in diesem Artikel thematisiert.
Folgt man jedoch dem Narrativ der besonders „solidarischen“ Impfbefürworter müsste die Kündigungswelle jedoch erst dann gestartet sein, als den meisten Menschen ein Impfangebot vorlag. Natürlich kann es im Einzelfall sein, dass der soziale Konflikt zwischen Maßnahmen-Befürworter und Maßnahmen-Gegner auch in den Krankenhäusern spürbar ist – und dass einzelne Kräfte sich deshalb zurückziehen. Das dahinterliegende Problem ist damit jedoch nie und nimmer erklärt. Vielmehr zeichnet sich das Bild ab, dass gruppenspezifische Sündenböcke ein massives Staatsversagen übertünchen sollen.
Bettenmanipulation ist erneut sehr wahrscheinlich
Zudem schwebt immer noch der starke Verdacht im Raum, dass einige Krankenhäuser bewusst weniger verfügbare Betten melden um Boni für eine höhere Auslastung zu bekommen. Das Krankenhausfinanzierungsgesetz verspricht Spitälern seit November 2020 Zuzahlungen vom Bund, sollten ihre Betten zu mindestens 75 Prozent ausgelastet sein. Die Manipulationen wurden unter dem #DiviGate bekannt. In einer Prüfung der Abrechnungsdaten bestätigte der Bundesrechnungshof den Betrug vieler Kliniken. Die Anreize für diese Manipulationen sind weiterhin vorhanden, denn der Bund hat die Krankenhausfinanzierung nicht mehr geändert. Es könnte also durchaus sein, dass Spitäler auch heute wieder ihre Auslastung künstlich nach oben manipulieren, obwohl mehr Betten betreibbar wären als sie dem DIVI täglich melden.
Anzahl der Corona-Patienten wird überschätzt
Ebenso wird die Anzahl der Corona-Patienten überschätzt, denn in der DIVI-Statistik kann es zu Mehrfachmeldungen von Patienten kommen. Etwa erklärt Gesundheitsökonom Reinhard Busse in der „Welt“, dass Patienten, die in andere Spitäler oder Stationen verlegt werden häufig doppelt oder gar dreifach gezählt würden. Recherchen von „Multipolar“ zufolge ist sogar nur jeder Zweite von der DIVI aufgeführte „Corona-Patient“ auch wirklich wegen Covid-19 im Krankenhaus. Demzufolge würden viele Patienten etwa wegen Schlaganfällen oder Herzattacken eingeliefert werden und nach einigen Tagen lediglich einen positiven Test aufweisen – jedoch ohne krankheitsspezifische Sympthome. Sollte sich das bewahrheiten, sind von den momentan aufgeführten 2400 Corona-Patienten nur etwa 1200 wirklich an Covid erkrankt. Die meisten Patienten sind über 60. Davon ist sogar rund ein Drittel vollständig geimpft – also „solidarisch“, wenn man so will. Bei den Jüngeren dürfte der von Multipolar beschriebene Meldefehler deutlicher zum Tragen kommen. Schließlich wissen wir: Je nach Bundesland lebten bis zu zwei Drittel aller mit einem positiven Corona-Test Verstorbenen Menschen in Altenheimen, fast 90 Prozent aller Toten sind 70 Jahre oder älter und über 90 Prozent litten an mindestens einer Vorerkrankung.
Als Gegenargument könnte man nun Christian Drosten ins Feld führen, warum dennoch jeder Ungeimpfte, der ins Krankenhaus kommt, ein riesiges Versorgungsproblem beschleunigt: „Also ob ich mich bewusst nicht impfen lasse oder ob mich die Botschaft nicht erreicht hat. Ganz egal. Ich brauche ein Intensivbett“.
Es ist aber komplizierter: Nicht jeder Ungeimpfte zählt nur aufgrund seines Impfstatus sofort zur Risikogruppe. Corona-Infizierte unter 40 etwa belegen derzeit nicht einmal 200 Intensivbetten in ganz Deutschland, wohlgemerkt mit Corona – nicht unbedingt wegen Covid. Davon ist von einem Anteil von mindestens fünf Prozent auszugehen die doppelt geimpft sind.
Sind Übergewichtige jetzt auch „unsolidarisch“?
Schauen wir uns die größten Risiken für einen schweren Covid-Verlauf an. Zu den gefährdetsten Gruppen zählen Krebspatienten, Demente und Personen mit Herzinsuffizienz. Folgt man der Logik der besonders „Solidarischen“ müssten diese eigentlich eine Impfplicht unter diesen Menschen fordern während junge, gesunde und sportliche Menschen zu vernachlässigen sind. Übrigens: Übergewicht und eine schlechte Ernährung, und Stress können den Covid-Verlauf massiv verschlimmern und dafür sorgen, dass Intensivbetten blockiert werden, die mit einer besseren Lebensweise nicht hätten benutzt werden müssen. Fangen wir jetzt an, Dicke, Diabetiker, Unsportliche oder psychisch angeschlagene Menschen zu ächten und für diese Personen einen gruppenspezifischen Lockdown zu fordern? Hoffentlich nicht! Warum aber geschieht genau dies dann in der Diskussion um Ungeimpfte? Und zwar pauschal für alle – ob Risikogruppe oder nicht.
Dabei sind wohl kaum die Ungeimpften daran Schuld, dass im vergangenen Jahr 20 Krankenhäuser in Deutschland geschlossen wurden, darunter auch eine Corona-Spezialklinik in Ingelheim mit 190 Mitarbeitern. Auf „kliniksterben.de“ ist aufgelistet, dass auch 2021 bereits sämtliche Stationen und vor allem kleine Krankenhäuser dichtmachten.
Überlastete Kinderkliniken: Ist der Ungeimpfte auch daran Schuld?
Die Ungeimpften trifft ebenfalls keine Schuld an den vollkommen ausgelasteten Kinderkliniken, in die seit Juli immer mehr junge Menschen mit RSV-Infektionen eingeliefert werden. Die Anzahl der in Kliniken behandelten Kinder schätzen Mediziner als doppelt so hoch ein wie in einem durchschnittlichen Jahr. Der Grund: Die Kinder haben in der „solidarischen“, kontaktlosen Corona-Pause ihr Immunsystem nicht ausreichend „trainieren“ können und holen diese Infektionen nun teilweise leidvoll nach. Sprich: Die überlasteten Kinderkliniken – mitsamt des dort überlasteten Personals ist eine klare Folge der Corona-Maßnahmen-Politik! Waren es etwa die Ungeimpften, die sich während der Pandemie für besonders harte Kontaktverbote starkmachten sodass vor allem Kinder ihr Immunsystem nicht ausreichend trainieren konnten? Im Gegenteil! Diesen Schuh müssten sich doch eher die besonders „Solidarischen“ anziehen, denen die Schulschließungen, Maskenpflichten und Kontaktverbote für die Jüngsten nicht weit genug gehen konnten. Während die Jüngsten der Gesellschaft nun mit dem RSV-Erreger zu kämpfen haben, leiden sie kaum unter Corona: Derzeit liegen deutschlandweit nur sieben Patienten unter 17 Jahren mit einem positiven PCR-Befund auf den Intensivstationen.
Schauen wir uns doch mal an, was das Gesundheitssystem sonst noch alles so überlasten könnte, als nur die bösen Ungeimpften. Report Mainz berichtete in einem Beitrag von einer „Krankheitswelle der chronisch Kranken“, die in der Pandemie durch verschobene Untersuchungen und unterbrochene Therapien entstanden ist. Der Bericht handelte von Patienten, die trotz Schmerzen aus Angst vor Corona nicht zum Arzt gingen und denen es nun so schlecht geht, dass die Reha-und Schmerzkliniken voll sind. Das Personal, so der Bericht, arbeite am Anschlag und sei teilweise ratlos.
Sind Ungeimpfte schuld an der Panikmache der Regierung?
Haben etwa die bösen Ungeimpften diese Angst verbreitet, sodass sich teilweise auch jüngere und sportliche Patienten nicht mehr in die Arztpraxen getraut haben? Oder suchen wir die Verantwortlichen nicht lieber beispielsweise bei den Erstellern des berüchtigten „Panik-Papiers“ des Bundesinnenministeriums, das politischen Verantwortlichen zu Beginn der ersten Welle nahelegte, bewusst die Angst zu schüren, die Menschen letztendlich in eine derartige Schockstarre versetzen konnte. Oder sind dafür nicht auch große Leitmedien verantwortlich, die zu Beginn der Pandemie Horrorbilder aus Bergamo und New York ungeprüft verbreiteten, die inzwischen längst als höchst irreführend entlarvt wurden.
Laut Report Mainz leiden 44 Prozent der Schmerz-, 50 Prozent der Diabetes- und 71 Prozent der Lungenkrebspatienten in den 20 größten Klinikn unter einem schlechteren Zustand als vor der Pandemie. Durch zu späte Vorsorgeuntersuchungen sind viele Patienten nicht mehr operierbar, erzählt ein Mainzer Chefarzt.
Dass verschobene Operationen während den Corona-Wellen irgendwann nachgeholt werden müssen und dadurch die Krankenhäuser mehr belastet sein würden, haben wir in diesem Artikel bereits im vergangenen Jahr angemerkt. Übrigens waren verschobene Operationen in der Vergangenheit auch bei stärkeren Grippewellen schon ein Mittel, um eine Überbelastung des Gesundheitssystem zu verhindern, wie beispielsweise im Jahr 2017. Nur galten damals die Ungeimpften Grippepatienten nicht als unsolidarisch, egoistisch und asozial – obwohl sie den zu Operierenden ein Bett wegnahmen. Komisch, oder?
Genauso komisch ist es auch, dass es in Deutschland im September eine massive Übersterblichkeit von zehn Prozent gegenüber dem Mittelwert der vergangenen Jahre gab. Das kann nicht vorrangig an Corona gelegen haben, beschränken sich die Covid-Toten innerhalb dieses Zeitraums nur auf wenige hundert Fälle, während im gesamten Monat über 77.000 Menschen starben. Hätte diese Übersterblichkeit durch eine konsequente Durchimpfung der Impfunwilligen verhindert werden können? Eben nicht. Aber was soll’s, die Ungeimpften sind trotzdem schuld!
Wie kann es sein…
Wie kann es außerdem sein, dass es laut dem statistischen Bundesamt im Jahr 2020 eine historisch niedrige Bettenbelegung in den Krankenhäusern gab, wenn wir doch eine alles überschattende Pandemie haben, die unser System ohne massive Grundrechtseinschränkungen angeblich nicht aushalten würde? Wie soll es möglich sein, dass die verbiebenen 15 Prozent, die weder geimpft noch genesen sind, dieses im Jahr 2020 noch historisch unterbelastete System nun als Hauptschuldige an ihre Grenzen bringen können? Und wie kann es sein, dass im Jahr 2020 ohne Impfung nur zwei Prozent aller Krankenhausfälle und vier Prozent aller Intensivpatienten wegen Covid eingeliefert wurden, obwohl die Belastung durch Corona doch für den Personalrückgang verantwortlich sein soll?
Fakt ist: Es muss andere Gründe für den Personalrückgang in den Krankenhäusern geben als die Ungeimpften! Diese Gründe herauszufinden wäre eigentlich Aufgabe der Behörden, um adäquat entgegensteuern zu können. Jedoch hat genau diese Regierung die größten Grundrechtseinschränkungen in der BRD-Geschichte mit der Begründung zu verantworten, das Gesundheitssystem entlasten zu wollen. Das Resultat ist beschämend: Offensichtlich kann das Gesundheitssystem nun noch weniger Auslastung vertragen als vor den ach so „alternativlosen“ Freiheitsbeschränkungen.
Aber immer brav daran denken: Der Umgeimpfte ist schuld!