Als das Kabinett der Bundesregierung vor einigen Monaten die Einführung des digitalen Impfpasses beschloss, stellte ich in diesem Artikel die These auf, dass dies ein Einfallstor für Massenüberwachung und Diskriminierung werden könnte. Wie schnell solche Projekte von der Obrigkeit klammheimlich ausgeweitet werden können, kann man nicht nur in Überwachungsstaaten wie China beobachten. In Großbritannien werden nun schon einige Befürchtungen von Kritikern digitaler Impfpässe und Tracing-Apps wahr. Bald soll dort das Impfzertifikat auch im Inland eingesetzt werden. In der App des britischen Gesundheitsministeriums werden neben den Impfinformationen nun auch Daten über die ethnische Herkunft, den Lebensstil oder die Biometrie der Nutzer gesammelt. Deutschland schreckt vor solchen Versuchen offiziell noch zurück, doch die Entwicklung geht auch hierzulande klar in Richtung Gläsernheit.
Lassen Regierungen die Zügel in der Corona-Politik etwas lockerer, war das bislang meist mit einem Preis verbunden, den die Bürger für ihre eigentlich selbstverständliche Freiheit zahlen müssen. Nein, ich rede nicht von dem Preis der Krankheit, die sich über ein Virus ohne die Einschränkungen möglicherweise schneller ausbreiten kann. Der Preis für die Freiheit ist es, sich gläserner, unsouveräner und ausgelieferter dem Staat gegenüber zu machen – sei es durch eine Impfung, durch ständige Tests, durch Offenbarung seiner Restaurantbesuche und Kontakte, durch erweiterte Maskenpflichten oder erhöhter „Beweispflicht“, dass man tatsächlich nicht als „Schädling“ durch die Gesellschaft wandert.
Diesen Preis, den Regierungen nun einfordern, kann man momentan in Großbritannien gut beobachten. Zum 19. Juli will die britische Regierung alle Covid-Beschränkungen aufheben. Zurück zur alten Normalität? Mit nichten! Denn auch die britische Bevölkerung musste für die Aufhebungen viel bezahlen: Mit einer hohen Impfquote von bereits 67 Prozent an Erstgeimpften (Stand: 14.07.) und einer bald erhöhten Durchsichtigkeit für die Obrigkeit. In Sachen Gesundheitsüberwachung und Einsatzerweiterung der Impfausweise sind die Briten bereits weiter fortgeschritten, als dies in der EU der Fall ist. Vielleicht ist diese schneller erworbene neue Dateninfrastruktur ja der eigentliche Grund, warum die Briten nun wieder aus den Corona-Einschränkungen entlassen werden?
Corona: Digitaler Impfpass und „Privilegien“ – ein trojanisches Pferd in Richtung Massenkontrolle?
Im April 2020 koppelte das britische Gesundheitsministerium ihre Corona-Tracing-App mit der Funktion, seinen Impfstatus digital zu zertifizieren und als Immunitätsnachweis für internationale Reisen zu verwenden. Jedoch erhielt die App auch Funktionen für das Teilen von Daten, die mit dem Covid-Status eher weniger in Verbindung stehen. In den Nutzungsbedingungen hält sich das Ministerium unter anderem vor, Daten über die mentale Gesundheit, den familiären Lebensstil, die ethnische Herkunft und Informationen über Genetik und Biometrik der Nutzer zu sammeln. Begründet wird dies stets mit den unterschiedlichen Auswirkungen, die Covid 19 je nach Lebensstil und Herkunft haben kann, gepaart mit einer sicheren Identitfizierung, sodass der digitale Pass fälschungssicher sei. Jedoch gehören diese Informationen in einer freiheitlichen Gesellschaft eher nicht in das Gesundheitsnministerium, sondern höchstens zu einem Arzt des Vertrauens.

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https://www.gov.uk/government/publications/nhs-test-and-trace-privacy-information/test-and-trace-overarching-privacy-notice
Das Aktivisten-Netzwerk „Big-Brother-Watch“ berichtet in einem Plädoyer gegen den digitalen Impfpass (Seite 50) von weiteren problematischen Eingriffen in die Privatsphäre:
„Der Datenschutzhinweis nahm auch Bezug auf ‚ethnische Zugehörigkeit, Kfz-Kennzeichen, Sozialversicherungsnummer, Arbeitgeber, biometrische und genetische Informationen und strafrechtliche Verurteilungen‘ unter dem Punkt ‚Persönliche Daten, die wir sammeln und wie sie verwendet werden‘.“
Quelle: https://bigbrotherwatch.org.uk/wp-content/uploads/2021/07/Emergency-Powers-and-Civil-Liberties-Report-May-June-2021-1.pdf, Seite 50
Einige Tage später entfernten die App-Betreiber einige dieser Kategorien aus den Hinweisen zum digitalen Impfpass, nachdem Datenschützer auf diese Schieflage aufmerksam machten. Im Gespräch mit Silkie Carlo, Direktorin von Big Brother Watch eschauffierte sich etwa Talk-Radio-Moderatorin Julia Hartley-Brewer: „Daten über psychische Gesundheit, Lebensstil, ethnische Herkunft, biometrische Daten und angebliches kriminelles Verhalten; was zum Teufel hat das mit dem Nachweis zu tun, dass man zwei Impfungen bekommen hat!?“
Die Bestimmungen seien versehentlich aus den Datenschutzhinweisen der Test-und Tracing-App kopiert worden, hätten mit der Funktion des digitalen Impfpass nichts zu tun, vermutet Big-Brother Watch. Jedoch ist der digitale Impfpass mit der Tracing-App gekoppelt. Es ist also nicht möglich, die Funktionen des Ausweises zu nutzen, ohne dafür die ursprüngliche App mit den oben genannten Bestimmungen herunterzuladen und ihnen zuzustimmen.
Cyber-Experte: Keine Informationen für Grenzkontrollen
Die Probleme mit der britischen Corona-App gehen noch tiefer – speziell was den Impfpass angeht. Eerke Boiten, Professor für Cybersecurity an der „School of Computer Science and Informatics“ der De Montfort University überprüfte die App für die Website „theconversation“ in einem Selbsttest. Er stellte fest, dass die App bereits beim ersten Login vollkommen automatisch all seine vorherigen Impfungen und erhaltenen medizinischen Rezepte angezeigt habe, die bis zu 15 Jahre zurückreichen würden. „Keine Information, die ich normalerweise bei der Grenzkontrolle preisgeben würde.“ Besonders ein Update am 18. Mai bezeichnet der Cyber-Experte als „beunruhigend“. Eine neue Funktion, die sich „Covid-19-Status hinzufügen“ nennt, würde demnach zukünftig nicht nur für Reisen genutzt werden, sondern auch für Events und gesellschaftliche Treffen im Inland – sobald der App neue Funktionen hinzugefügt würden, die das Britische Gesundheitsministerium derzeit noch entwickle.
In Großbritannien zeichnen sich also bereits Entwicklungen ab, von denen wir in Deutschland und in der EU noch etwas entfernt sind. Lange könnte es aber nicht mehr dauern, bis sich auch hierzulande ähnliche Probleme zeigen werden. Der digitale Impfpass wird bereits als Zugangsmöglichkeit für Veranstaltungen und Restaurantbesuche zugelassen. Firmen wie Eventim planen künftig Veranstaltungen nur noch mit Besuchern, die geimpft sind und machen somit die Diskriminierung hoffähig. Impfdaten sollen bis 2022 EU-weit zentral gespeichert werden und mit internationalen Organisationen wie der WHO geteilt werden, wie aus einem Strategiepapier der europäischen Kommision zu entnehmen ist. Ärzte müssen fortan Patienten die Möglichkeit für digitale Impfkarteien bereitstellen, um keine Sanktionen befürchten zu müssen.
Deutsche App-Betreiber setzen noch auf Datenhoheit des Nutzers
Was das Contact-Tracing angeht setzen die Betreiber noch auf Freiwilligkeit, welche Daten dem Gesundheitsamt übermittelt werden und wie die App genutzt wird. Dies ist sowohl bei der privatwirtschaftlich erstellten Luca-App als auch bei der Corona-Warn-App des Gesundheitsministeriums der Fall. Auch ist es, anders als in Großbritannien, freiwillig, den digitalen Impfnachweis mit den Tracing-Apps zu koppeln oder nicht. Jedoch ist diese Freiwilligkeit alles andere als in Stein gemeißelt, arbeiten elitäre Gemeinschaften doch akribisch daran, Daten immer zentraler und immer komprimierter speichern und verwenden zu können. Wir erinnern uns beispielsweise an das Projekt ID2020, das unter anderem von der Bill und Melinda Gates-Stiftung sowie der Rockefeller-Foundation gesponsert wird. Und wer weiß: Vielleicht haben wir uns – anders als die Briten – aus Sicht der Obrigkeit ja noch nicht ausreichend aus den Covid-Einschränkungen „freigekauft“ – sei es mit Gläsernheit oder einer hohen Impfquote.