Boycottaufrufe, Banner und kritische Aussagen zu Menschenrechtsverletzungen in Katar hat es in den vergangenen Wochen vor allem von Fußballprofis gegeben. Auf den Stadionbaustellen des WM-Gastgebers 2022 wurden Gastarbeiter jahrelang unwürdig und verbrecherisch behandelt. Darüber haben wir in diesem Artikel berichtet und festgestellt, dass die immer wieder zitierte „Vorbildrolle des Fußballs“ eher einem Treppenwitz gleicht. Nun tut sich also doch ein wenig in der öffentlichen Wahrnehmung. Die WM in Katar sollte uns jedoch eine Lehre sein, bereits andere abzeichnende Entwicklungen des Sports kritisch zu hinterfragen.
„Human Rights“. Eine Aktion der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zum Auftakt der WM-Qualifikation war hierzulande die wohl sichtbarste Aktion, um auf die untragbaren Zustände im Emirat hinzuweisen. Es soll eine Aktion der Mannschaft gewesen sein, heißt es beim DFB, nicht des Verbandes. Weiter sorgten kritische Aussagen der Profis Erling Braut Haaland und von Toni Kroos für Schlagzeilen. Die Organisation „ProFans“ rief die deutsche Nationalmannschaft zum Boycott der WM 2022 auf.
Ein Boycott der WM würde jedoch wenig helfen. Königreiche wie Katar, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate betreiben im Fußball etwas, das sich „Sportswashing“ nennt. Ihr Engagement im Sport dient nicht primär wirtschaftlichen Interessen, sondern politischen. „Sportswashing“ öffnet neue Türen in die Akzeptanz der westlichen Welt für ihre untragbaren Zustände. Die Aufschriften „Emirates“ und „Qatar Airways“ auf den Trikots der größten Fußball-Clubs sorgen für weitaus weniger Empörung, als vermeintliche Rassismus-oder Sexismus-Debatten, die einzelne Spieler oder Fans auslösen. Ein Boycott wurde des Gastgebern der kommenden WM nur vorübergehend einen kleinen Image-Schaden geben. Ihre Geschäftsbeziehungen in den Fußball würden sie jedoch behalten und ausbauen können, denn diesbezüglich haben die Funktionäre das Sagen, mit wem Business gemacht wird und mit wem nicht. Und in ein paar Jahren haben die meisten Fans sowieso vergessen, warum und ob die WM 2022 in Katar noch gleich boycottiert wurde. Jedoch sollten uns die Geschäftspartner großer Klubs und Verbände eine andere Lehre sein: Nämlich, dass der Sport kein Vehikel sein darf, um politische Botschaften an die Massen zu bringen.
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Warum? Während sich der inzwischen gefeuerte Sky-Kommentator Jörg Dahlmann wegen einer Bemerkung, er würde sich für eine „Kuschelnacht“ mit Sophia Thomalla auch bei Union Berlin auf die Bank setzen entschuldigen musste, darf ein Royal aus Katar nach dem Klub-WM-Finale in Doha Schiedsrichterinnen den Handschlag verweigern, ohne dafür geschäftliche Nachteile im Fußball befürchten zu müssen. Politische Kampagnen, die vonseiten großer Sportverbände ausgehen, werden also wohl kaum gegen die verbecherischen Königreiche geführt werden, mit denen genau diese Entscheidungsträger schließlich „gute“ Geschäfte machen. Solche Debatten werden, wie bislang auch, mit dem alten „Teile und herrsche“-Spiel betrieben werden. Selbst wenn man sich politisch in der „Woke-Culture“ wiederfindet, kann man die Bemühungen des Sports für diese Themen also nicht ernst nehmen. Spieler, die diesbezüglich Zeichen setzen wollen, werden eher ausgenutzt, um die Fans auseinander zu treiben und fragwürdige Geschäfte des Fußballs zu überschatten. Jeder Fußballfan, egal mit welcher politischen Ausrichtung ausgestattet, sollte vor einer weiteren Politisierung des Sports warnen. Denn ernsthafte Zeichen wollen die Funktionäre mit all ihren Anti-Rassismus Bekenntnissen wohl kaum setzen. Dahinter stecken andere Interessen.
Zentralisierung, Globalisierung – und nun Politisierung der Massen
Die ökonomische Öffnung des Fußballs war der Anfang, Menschen ein einendes und teilweise anarchisches Element von Zusammenkunft zu entziehen. Während Fankulturen vieler lange existierenden Vereine aus allen Volksschichten über Jahrzehnte entstanden sind, werden heute neue Klubs wie RB Leipzig oder die TSG 1899 Hoffenheim aufgekauft und nach oben geführt, um eine künstliche Fußballatmosphäre von oben herab zu formen. Klubs werden zu Spielzeugen oder „Herzensangelegenheiten“ großer Oligarchen, zu Investitionsobjekten oder – wie im Falle Katar – zu Image-Kampagnen. Während das einfache Volk weite Teile der gewachsenen Fankultur geschaffen hat, fangen wenige einflussreiche Menschen seit einigen Jahrzehnten an, den Fußball aktiv umzugestalten. Anstatt die Region durch den Fußball und den Fußball durch die Region zu stärken, schreit das moderne Wirtschaften des Sports nach Zentralisierung, Globalisierung und nun auch Politisierung der Massen. Während Fans im Idealbild höchstens in den Farben getrennt sein sollten, wird nun fleißig zwischen Geschlecht, Herkunft und Religion gespalten.
Gute Demos schlechte Demos – wer entscheidet darüber?
Spieler werden gelobt, wenn sie sich auf Black Lives Matters-Protesten tummeln. Der Basketballer Joshiko Saibou dagegen wird entlassen, weil er sich auf einer Querdenken-Demonstration zeigte (Wir berichteten!). Dieses Beispiel zeigt deutlich: Hier wird kein politischer Raum aufgemacht. Vielmehr geht es darum, dass wenige Menschen mit Meinungsmacht entscheiden, welche Statements erlaubt sind und welche nicht. Wem wollen wir eine solche Macht in die Hand geben, um mittels Sanktionen zu entscheiden, welche Demos gut und welche Demos schlecht sind? Solchen Funktionären etwa, die vor Geschäften mit Folterern nicht zurückschrecken?
Der Sport, wie er sich heutzutage darstellt, ist keine gute Plattform für politische Themen. Wenn die Finanzmacht, und damit auch die Meinungsmacht bei einigen Wenigen liegt, die sich im Sport ein Vehikel zur Vermarktung oder ein Ventil gegen die Langeweile suchen, ist kein fairer Diskurs möglich. Nun krampfhaft zu versuchen, sein eigenes Weltbild über die sportbegeisterten Massen überzustülpen, ist töricht und gefährlich. Der Sport braucht keine Anti-Rassismus-Kampagnen. Der Sport braucht Sportsgeist, Emotionen, Teamgeist und eine natürlich gewachsene Fankultur, die nicht nur beschwört, sondern gelebt wird. All dies schließt Diskriminierung jeglicher Art von vornherein aus – und die Menschen bekommen das auch ohne Erziehungsprogramme hin, nach diesen Prinzipien miteinander umzugehen.
Der Sport an sich ist weder rassistisch noch sexistisch. Es sind einzelne Menschen, die eine solche Bühne für ihre Agenden missbrauchen. Dies ist jedoch nicht bekämpft, indem man diese Bühne für die „Gegenposition“ weiter politisiert. Es ist dann bekämpft, wenn sich alle auf den Geist des Sports zurückbesinnen. Und dieser Geist darf auch mal rau und anarchisch sein, jedoch aber nicht politisch, diskriminierend oder spalterisch. Das gilt für alle, von „links“ bis „rechts“. Sport ist Sport. Und der ist für alle da. Ich möchte dieses Vehikel der Meinungsmacht nicht einigen wenigen überlassen, die im gleichen Atemzug Geschäfte mit Ausbeutern machen. Nur mit einer politischen Öffnung des sportlichen Raumes ist so etwas wie „Sportswashing“, das Katar betreibt, überhaupt erst möglich.
Lasst die Finger von der Politik!
Zusammengefasst: Die Ökonomisierung des Sports ist bereits im Endstadium. Sie hat Fans entmachtet, neue „Kulturen“ vorgezeichnet und die Menschen voneinander entfernt. Gerade in der Coronazeit gibt es kaum tragendere Bilder als leere Stadien, in denen Profis alleine ihre Spiele austragen, während das einfache Volk via Verordnung keinen Mannschaftssport ausüben darf. Der „Pöbel“ wird ausgesperrt, der Fußball gehört endgültig den Profiklubs und den finanzstärksten Sponsoren. Was nun bildlich sichtbar wird, ist eine Entwicklung, die schon sehr lange im übertragenen Sinne vonstattengeht.
Also, liebe Funktionäre: Lasst wenigstens die Finger von der Politik! Denn wer den Raum des Sports für politische Botschaften benutzt, missbraucht seine Beschaffenheit genauso für politische Agenden, wie es etwa ein wirklicher Rassist im Stadion auch tut. In allen Fällen fordere ich jedenfalls: Raus mit euch aus den Stadien! Politische Räume gibt es woanders zu genüge.
Ein Kommentar zu “Fußball-WM 2022: Proteste gegen Katar mehren sich, jedoch droht die „Politisierung“ des Sports – das birgt Gefahren”