In der Klimadebatte gibt es Sektoren, die trotz ihres massiven Anteils an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen in der Öffentlichkeit kaum thematisiert werden. Ein Faktor davon ist die CO2-Bilanz militärischer Institutionen. In den meisten Ländern ist noch nicht einmal bekannt, welchen Anteil das Militär in Sachen Schadstoff-Ausstoß zu verantworten hat – darunter auch Deutschland.
Laut einer Studie der Brown-University hat das Pentagon im Jahr 2017 rund 59 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Wäre das US-Verteidigungsministerium ein Staat, würde es auf der weltweiten Rangliste im Ranking der größten CO2-Produzenten auf Rang 47 liegen – noch vor Industrienationen wie Portugal und Schweden. Allein der Inlands-Betrieb des Militärapparates verursache, so die Autoren der Studie, mehr CO2-Emmisionen als die gesamte Eisen und Stahl-Produktion in den Vereinigten Staaten.
In einer Untersuchung der britischen Durham-University hieß es, das US-Militär kaufte im Jahr 2017 durchschnittlich rund 42 Millionen Liter Öl am Tag. Vor allem würden sich logistisch aufwendige Auslandsmissionen und abgelegene Stützpunkte der US-Amerikaner in der Umweltbilanz bemerkbar machen, bemerkten die Autoren. Seitdem Ex-Präsident George W. Bush im Jahr 2001 den „Krieg gegen den Terror“ ausrief, sei das US-Militär bis 2020 für rund 1,2 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich gewesen – so die Schätzung der Wissenschaftler.
Weltweiter CO2-Ausstoß des Militärs – ein Dunkelfeld
Übrigens: In die weltweite Statistik aller CO2-emmitierenden Sektoren wird der Faktor „Militär“ gar nicht aufgeführt. Zu undurchsichtig und intransparent sind die Zahlen, die sich um die Armeen der Staaten ergeben. Jedoch seien andere Militärriesen wie Russland oder China noch weniger transparent, was die Klimabilanz ihrer Truppen angeht, meint Oliver Belcher, einer der Mit-Autoren der Durham-Untersuchung im Gespräch mit dem NDR: Das wichtigste wäre erst einmal, dass das Militär mehr Daten über den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen veröffentlichen muss. Jede militärische Operation verursacht CO2-Emissionen. In der Debatte um Militäreinsätze und Kriege müssen dann diese ökologischen Kosten eine große Rolle spielen.“
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Jedoch legt auch die Bundesregierung die Klima-Daten ihrer staatseigenen Truppen nur unzureichend offen. Im jährlichen Klimaschutzbericht des Bundes-Umweltministeriums taucht der Faktor Militär gar nicht auf. Wie viel Treibhausgase das Bundesheer jedes Jahr in die Atmosphäre ausstößt, ist also nicht bekannt. Dies ging aus einer Anfrage der Linkspartei im deutschen Bundestag hervor.
Die Abgeordnete Kathrin Vogler setzt sich dafür ein, Zahlen über die gesamten kraftstoffbedingten Emmissionen durch Militärfahrzeuge bekannt zu machen. Auf ihrer Website zitiert sie die Antwort der Regierung auf die von ihr mit-inittierten Bundestags-Anfrage wiefolgt: „Die Beantwortung der Einzelfragen der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE ist in der jeweils gewünschten Detailtiefe weder in der Aufschlüsselung nach Gerätetyp noch für die abgefragten Zeiträume möglich. Daten dazu werden statistisch in der Bundeswehr nicht erfasst.“
Zahlen werden geschönt
Die Bundeswehr behauptet jedoch trotz der dünnen Datenlage, die eigens ausgestoßenen Treibhausgase in den vergangenen Jahren stark reduziert zu haben. Dem NDR sagte Daniel Nitsch vom Verteidigungsministerium: „2005 waren es 2,66 Millionen Tonnen CO2- Äquivalente und 2019 waren es noch 1,45 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht einer Reduktion von etwas mehr als 45 Prozent.
Diese Bilanz sei jedoch stark geschönt, meint Kathrin Vogler. So würden Verbrauchsdaten aus Bundeswehreinsätzen mit NATO-und UN-Mandat in der Bilanz gar nicht mit eingerechnet, was unter anderem in der UN-Klimarahmenkonvention vermerkt sei.
Anstatt dem unsichtbaren Riesen der CO2-Emmissionen durch Abrüstungsprogramme zu begegnen deutet alles darauf hin, dass Deutschland in den folgenden Jahren seine Militärausgaben weiter erhöhen wird. Wie passt das zusammen?
Im Haushaltsentwurf für das Jahr 2021 ist bereits festgelegt, den Wehretat um weitere 1,16 Milliarden aufzustocken. Sowohl Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) als auch ihre Vorgängerin Ursula Von der Leyen, nun EU-Kommissionschefin, sprachen sich in der Vergangenheit deutlich dafür aus, das „2-Prozent Abkommen“ der NATO künftig erfüllen zu wollen. Das Ziel sieht vor, dass NATO-Staaten jährlich zwei Prozent des gesamtstaatlichen Brutto-Inland-Produkts in das Militär zu investieren. Unter anderem einigten sich Union und SPD beginnend dieser Legislaturperiode darauf, das NATO-Ziel in den Koalitionsvertrag mit aufzunehmen.
Verteidigungsministerium: Zweithöchster Etat aller Ministerien
Folgerichtig erhielt das Verteidigungsministerium im Jahr 2017 mit 37 Milliarden Euro den zweithöchsten Bundesetat aller Ministerien. Das entspricht knapp zwölf Prozent des gesamten Bundeshaushalts. Zum Vergleich: Ministerien, die zur Bewältigung der großen Krisen Migration und/oder Klimawandel von großer Bedeutung sein dürften, müssen sich hinter dem Verteidigungsministerium weit anstellen. So erhielt das Ministerium für Bildung-und Forschung knapp sechs Prozent, das Entwicklungsministerium 2,6 Prozent und das Verkehrsministerium immerhin 8,5 Prozent des gesamten Etats der Bundesregierung.
Das Ziel „Aufrüstung“ ist also für die nächsten Jahre gesetzt, was wohl kaum mit den formulierten Klimazielen des Pariser Klimaabkommen im Einklang stehen kann. Aber klar. Wenn die Regierung die Schadstoff-Bilanz des Militärs noch nicht einmal in ihrem Klimaschutzbericht auflistet, lässt sich auch getrost verschweigen, wie kontraproduktiv die Aufrüstungspläne für die vorgegeben Ziele zur Reduktion des CO2-Ausstoßes eigentlich sind. Das Militär ist ein unsichtbarer Riese, dessen Bedeutung für die Bekämpfung des Klimawandels weitestgehend verschwiegen wird.
So ist es einfacher, die Kosten des CO2-Ausstoßes etwa auf den einfachen Mieter abzuwälzen, der nach den Schätzungen des Mieterbundes nun jährlich 25 bis 125 Euro höhere Mietkosten durch die 2021 in Kraft getretene CO2-Steuer bezahlen darf. Ihre eigenen Hausaufgaben machen die Verantwortlichen aber nur unzureichend. Und wer den Widerspruch zwischen Aufrüstung und Klimaschutz immer noch nicht erkannt hat, der kann es mit dem Umweltschutz auch nicht wirklich ernst meinen.
Es gibt aber noch andere Riesen, die in den teils hitzigen Debatten um den Klimaschutz kaum benannt werden. Ein Beispiel dafür ist die Art und Weise, wie Häuser gebaut werden.
Zementindustrie, Heizung und Energiegewinnung – verschwiegene Potenziale
Einem Papier der Umweltorganisation WFF zufolge macht etwa die Zementproduktion rund zwei Prozent aller CO2-Emmissionen in Deutschland aus. Weltweit seien es sogar acht Prozent, schreiben die Autoren.
Wärmstens möchte ich in diesem Zusammenhang einen Vortrag des Tüftlers Erwin Thoma für den YouTube-Kanal „Wissen ist relevant“ empfehlen. Der Österreicher baut Häuser, die zu 100 Prozent aus Holz bestehen – ein wieder verwendbares Material, meint er. Allein durch eine spezielle Bauweise heizen und kühlen sich seine Häuser selbst – mit seiner Firma errichtete er ganze Fabriken, die energieautark betrieben werden können. Der weltweite Anteil, den das Heizen und Kühlen von Häusern an der CO2-Freisetzung zusammen mit der Stromerzeugung ausmacht, liegt bei rund 42 Prozent.
Technische Möglichkeiten, riesige Sektoren des weltweiten CO2-Ausstoßes zu reduzieren – oder gar gegen Null zu bringen – sind also dank freigeistlicher Tüftler wie Erwin Thoma definitiv da – sie müssten nur gefördert und auf dem von Energieriesen dominierten Weltmarkt nach vorne gebracht werden. Klar ist aber auch: Autarke Energiegewinnung bedeutet das Ende von mächtigen Geostrategen, die über Bodenressourcen Abhängigkeiten gegenüber besitzenden Machtstrukturen schaffen, ganze Länder ausplündern und durch Energielieferungen ihre Herrschaft zementieren. Dies dürfte wohl der Hauptgrund dafür sein, warum Entwicklungen, wie sie Erwin Thoma vorantreibt, konsequent verschwiegen werden. Verschwiegen wird auch die Rolle des Militärs, das seit Menschengedenken Feldzüge für Rohstoffe und Bodenschätze führt – und um die Weltmärkte für das eigene Klientel zu öffnen. Mit energieautarken Häusern, die flächendeckend gefördert würden, wäre die Macht der Rohstoff und Energieriesen Geschichte. Ernst gemeinter Klimaschutz und militärische Geostrategie – es passt also nicht zusammen.