Julian Assange, WikiLeaks und die Pressefreiheit: Die Kriminalisierung von freien Medien

Foto: Elekhh via Wikimedia.org

Update: Dem Auslieferungsantrag der USA ist am Freitag von einem Londoner Gericht stattgegeben worden. Wikileaks-Gründer Julian Assange hätte niemals in diese Lage kommen dürfen: Die Haft war und ist ein Verstoß gegen die Presse- und Informationsfreiheit.

Entsetzen, Wut, Fassungslosigkeit: Im Jahr 2010 gingen Bilder und Videos um die Welt, die unter normalen Umständen für einen Sturm der Entrüstung sorgen. Und das zurecht. Doch diesmal war es anders. Die Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlichte circa 400.000 Geheimdienstdokumente der USA aus dem Krieg im Irak, die im Detail beleuchteten, welche Methoden die US-Soldaten dort einsetzten, um an ihre Ziele zu gelangen. Der SPIEGEL berichtete unter anderem in seiner Ausgabe 43/2010 davon ausführlich, indem er die Dokumente auswertete und die Namen potenziell gefährdeter Personen unkenntlich machte. Der vollständige Artikel ist online unter dem obigen Link zu finden. Doch die Medien griffen das Thema erst nach und nach auf. Die deutsche Regierung „bedauerte“ gar die Veröffentlichung von Geheimdienstinformationen, anstatt sich über den Inhalt zu echauffieren.

Dabei hatte das Material mit seinem Inhalt- veröffentlicht von WikiLeaks- allen Grund, für Aufregung zu sorgen.

Eines der erschreckenden Details, das im Zuge der Wikileaks Veröffentlichungen den Weg in die Öffentlichkeit fand, ist ein Video, indem Zivilisten in der irakischen Hauptstadt Bagdad vom US-Militär aus der Luft beschossen werden.

US-Militärattacke im Irak 2007, Quelle: YouTube

Hierbei sollen bis zu 12 Menschen ums Leben gekommen sein. Im Laufe des Videos sind US-Soldaten zu hören, die über den Einsatz hämisch lachen, als hätten sie gerade einen neuen Highscore auf der PlayStation erspielt. Julian Assange nimmt im Video Stellung zu dem genannten Video und ist auch nach außen hin der Repräsentant der Plattform.

Ein anderes, nicht minder wichtiges Detail der WikiLeaks-Enthüllungen 2010 war die Information, dass-entgegen öffentlicher Behauptungen der damaligen US-Regierung-keine Quellen der Geheimdienste aufgedeckt wurden oder aufgrund der Veröffentlichungen der Dokumente in Gefahr gerieten. Diese Äußerungen von Ex-Verteidigungsminister Robert Gates zeichnen das Bild einer Regierung und eines militärischen Apparats, der mit allen Mitteln versucht, ihm unliebsame Informationen über Krieg und Terror unter Verschluss zu halten.

Whistleblower in Gefahr

Dabei ist Assange nicht der Einzige, der im Zuge der Enthüllungen von WikiLeaks angeklagt wurde. Chelsea Manning, früher Bradley Manning und ehemaliger US-Soldat, sendete das obige Video an Wikileaks, nachdem er innerhalb des Militärs mit seinen Anliegen kein Gehör fand. Er versuchte nach eigenen Aussagen mehrmals, auf die Kriegsverbrechen seiner Kollegen aufmerksam zu machen, doch niemand innerhalb der Befehlsgewalt fühlte sich zuständig, sein Anliegen ernst zu nehmen. Die Weitergabe an WikiLeaks, so seine Aussage, war die letzte Möglichkeit, für Aufklärung und Gerechtigkeit zu sorgen.

Chelsea Manning wurde ebenfalls unter dem Espionage Act angeklagt, der noch aus der Zeit des 1. Weltkriegs stand und 1917 eingeführt wurde, um mögliche Staatsfeinde zu belangen.

Doch es kommt, wie so oft, wie es kommen muss:

Das Gesetz wird angewendet, um gegen unliebsame Berichterstatter vorzugehen.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama (2008-2016) wendete dieses Bundesgesetz am häufigsten unter allen bisherigen Präsidenten an, um gegen sogenannte Whistleblower wie Chelsea Manning oder auch Edward Snowden vorzugehen, den ehemaligen NSA-Mitarbeiter, der das weltweite PRISM-Überwachungsprogramm der USA publik machte.

Chelsea Manning wurde zwar 2017 von Obama begnadigt, aber sie hat bereits mehrere Suizid-Versuche unternommen und ist zudem seit ihrer Freilassung immer wieder mit der Justiz wegen der Verweigerung einer Aussage festgesetzt worden.

Snowden musste in Russland Asyl ersuchen, da kein europäischer Staat ihn aufnehmen wollte.

Assange dagegen musste in die ecuadorianische Botschaft in London flüchten, um einer möglichen Auslieferung zu entgehen.

Der Auslieferungsantrag der USA wurde am Montag, den 4. Januar, zwar von einem Londoner Gericht abgelehnt. Aber nicht, weil Assange seiner journalistischen Tätigkeit nachging und seine Auslieferung einen Angriff auf die Pressefreiheit darstellen würde, sondern mehr oder weniger aus reinem Mitleid der Richterin gegenüber dem Australier: Er sei durch seine Depressionen suizidgefährdet, argumentierte die Richterin. Am Freitag, den 10 Dezember hebte die britische Justiz das Auslieferungsverbot auf. Ihn erwartet dort eine Anklage in 18 Punkten, darunter Verstöße gegen das „Spionagegesetz“. Seine Anwälte befürchten eine Strafe von 175 Jahren Haft, was natürlich einer lebenslänglichen Haft gleichkommen würde. Seit über zehn Jahren befindet sich der Journalist ohnehin bereits in einem Gefängnis, sei es in der Botschaft Ecuadors, aus der er nie rausgehen konnte oder bis jetzt in Londoner Untersuchungshaft.

Angriff auf die Pressefreiheit

Dabei sollte doch eines klar sein: Egal, ob man Assange als Individuum mag oder nicht. Egal, ob man seine Motivlage für richtig erachtet oder nicht. Seine Veröffentlichungen dienten dem öffentlichen Interesse, indem sie Kriegsverbrechen aufdeckten, Informationen über den tatsächlichen Verlust von Zivilisten vorlegten und damit zu einer Aufklärung der Allgemeinheit beitrugen-innerhalb und außerhalb der USA.

Es sollte nicht vergessen werden, dass militärische Operationen-insbesondere im Ausland-rechtlicher Mandate bedürfen, deren Grundlage die Steuergelder der Wähler darstellen.

Steuerzahler, die das Militär des jeweiligen Landes finanzieren, haben ein Recht darauf, zu erfahren, wo und vor allem wie ihr Geld eingesetzt wird.

Ganz sicher ist es nicht im öffentlichen Interesse, wenn Zivilisten wie im besagten Fall im Irak wahllos getötet werden und später versucht wird, diese Geheimnisse unter Verschluss zu halten; unter Berufung auf „classified information“, also hochsensible Informationen, die anscheinend der Öffentlichkeit nicht anvertraut werden dürfen. Dabei sind sie selbstverständlich im öffentlichen Interesse, da ihnen politische Entscheidungen von demokratisch gewählten politischen Entscheidungsträgern vorausgehen.

Wie soll gegen politische Entscheidungsträger juristisch oder auch journalistisch vorgegangen werden, wenn diese ihre Entscheidungen und Handlungen mit Verweis auf „Hochsensibilität“ unter Verschluss halten können?

Die Frage, ob Assange 2016 mit Russland zusammengearbeitet hat oder nicht, ist eine, die überhaupt nichts mit seinen Enthüllungen bzw. der Wichtigkeit von WikiLeaks zu tun hat.

Assange‘ Charakter steht hierbei nicht zur Debatte, weil er schlicht nicht von Belang ist, wenn es um die Werte der Pressefreiheit geht.

Die Antwort muss daher lauten: Die Presse- und Informationsfreiheit ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Besonders dann, wenn Regierungen-ob wir diese präferieren oder nicht-mit allen Mitteln versuchen, Informationen und deren Urheber wie Assange mundtot zu machen.

Eine Kriminalisierung der freien Presse darf nicht hingenommen werden.

Der Fall Assange hat dies eindrucksvoll vor Augen geführt.

Wenn die USA den Ersten Zusatzartikel ihrer Verfassung, den First Amendment of the Constitution, der das Recht auf freie Meinungsäußerung hochhält, nicht ad absurdum führen wollen, müssen sie den Auslieferungsantrag eher heute als morgen fallen lassen. Sonst kann nicht mehr länger davon die Rede sein, dass die Macht beim Volk liegt.

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