Die entscheidenden Ebenen zur Bewältigung globaler Flüchtlingsströme über die keiner reden will – Teil 1: Fluchtursachen

Die Bekämpfung der Fluchtursachen ist keine spezifisch konservative oder linke Position, sondern wird einhellig sowohl von der Linkspartei als auch der CDU eingefordert; bisher allerdings nur verbal. Stattdessen verstricken sich die Parteien in Streitereien um Seenotrettung, Moria-Obdachlose, Rechtsradikalismus und terroristische Gewaltakte – gewiss Themen, um die sich grausame Dramen abspielen. Dennoch stellen diese Ereignisse nur die Symptome von ausbleibenden Langzeitstragtegien um globale Ungleichheit, imperialistischer Außenpolitik, Raubtierkapitalismus und Waffenexporten dar. Die erhitzten Debatten kratzen daher nur an der Oberfläche der tieferliegenden Probleme.

Wir beleuchten die kaum beachteten Herausforderungen, die sich rund um das Thema Flüchtlingspolitik drehen. Eine Serie.

Angela Merkel reiste im Frühjahr nach Afrika, um mit dortigen Regierungen in Angola und Südafrika Vereinbarungen über Entwicklungshilfe zu treffen und gemeinsame Strategien der Zusammenarbeit zu entwickeln. Das Ziel ihrer Reise war klar: weniger Flüchtlinge sollen zu uns nach Europa kommen. Stattdessen sollen vor Ort in den einzelnen Staaten ausreichende Lebens- und Arbeitsbedingungen geschaffen werden, um Fluchtversuche im Voraus zu unterbinden.

Zudem dient der Bundeswehr-Einsatz (MINUSMA) in Mali, im Rahmen einer UN-Mission, zur Ausbildung der dortigen Streitkräfte und damit der Prävention von künftigen Flüchtlingsströmen nach Europa.

Mali mit der Stadt Gao dient hierbei als wichtiges Transitland für Geflüchtete aus Afrika gen Europa.

Das Problem der bisherigen Ansätze war allerdings-wie eben auch bei der Koordinierung der Flüchtlingspolitik der EU-die fehlende Zusammenarbeit der einzelnen Mitgliedstaaten.

EU: Forderungen zur Zusammenarbeit schon vor 2015

Schon vor 2015, dem Jahr mit den höchsten Flüchtlingsströmen nach Europa, gab es Forderungen aus einzelnen Staaten wie Griechenland, Italien und Spanien, die Asylpolitik von der nationalen auf die suprationale Ebene zu heben (gesamteuropäisch) und somit ein koordiniertes Vorgehen aller EU-Staaten zu ermöglichen.

Die meisten Flüchtlinge, die nach Europa fliehen, stammen aus Ländern wie Syrien, Irak, Afghanistan, Somalia, Eritrea und dem Kongo. Eine komplette Liste findet sich hier.

Natürlich können nicht alle Konflikte miteinander vermischt und zu einem Patentrezept für alle Staaten verrührt werden. Dafür sind die Ursachen der Fluchtbewegungen innerhalb der einzelnen Staaten zu unterschiedlich. In Syrien tobt beispielsweise seit 2011 ein Bürgerkrieg, der zusammen mit dem Erstarken des Islamischen Staates (IS) zu einer anhaltenden Fluchtbewegung aus dieser Region geführt hat.

Länder wie Somalia oder Eritrea dagegen leiden unter Milizen-Gewalt, Militärzwangsrekrutierung und religiöser Verfolgung. Doch der gemeinsame Nenner, der all diese Staaten miteinander verbindet, ist politische Instabilität und daraus resultierend wirtschaftliche Not.

Einheitliche Hilfsstandards notwendig

Eine Bekämpfung der Fluchtursachen würde zunächst voraussetzen, dass die EU einheitliche Hilfsstandards für die einzelnen Regionen definiert und diese dann koordiniert umsetzt. Hierfür ist zwingend eine Zusammenarbeit der EU-Kommission mit dem EU-Parlament nötig. Elementar ist allerdings, dass das EU-Parlament als Institution der Volksvertretung auch endlich ein parlamentarisches Initiativrecht erhält, um seine Gesetzgebungskompetenzen gegenüber der Kommission endlich geltend zu machen.

Seit Jahren fordert das EU-Parlament Änderungen in der Entwicklungshilfe, doch die Kommission hat sich bisher Änderungen verweigert.

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Die Bekämpfung der Fluchtursachen muss zudem die Rüstungs- und Waffenexporte der EU-Staaten in den Blick nehmen. Weiterhin exportieren Länder wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland Waffen in Krisengebiete und despotische Staaten wie Ägypten, Saudi-Arabien oder eben Mali. Mehr Waffen bedeutet nicht mehr Frieden. Wenn dem so wäre, wären die USA heute das sicherste Land der Welt.

Oftmals landen diese verkaufen Waffen dann bei Extremisten, wie im Fall in Syrien.

Sogenannte Endverbleibserklärungen der Europäer, die als Instrument der Überwachung dienen sollten, erwiesen sich in Kriegsgebieten-nicht überraschend-als erfolglos, da schlicht und ergreifend nicht nachverfolgt werden kann, wo, wann und von wem Waffen an Extremisten übergeben wurden.

Dies stellt eine einfache, aber effektive Art der Fluchtursachenbekämpfung dar.

Natürlich ist dies ein langwieriger Prozess, der nicht von heute auf morgen Ergebnisse bringt.

Doch stetes Wasser höhlt den Stein.

Globale Handelspolitik nach wirtschaftsliberalen Standards

Ein ebenfalls unterschätzter Faktor der Fluchtursachenbekämpfung, der oftmals in Diskussionen ausgelassen wird, ist unsere Agrarpolitik gegenüber dem afrikanischen Kontinent.

Unsere Handelspolitik in der EU hat sich bisher immer an wirtschaftsliberalen Standards orientiert, die wir afrikanischen Handelspartnern aufzudrücken versuchen.

Nach dem Motto: Wenn ihr, Entwicklungsländer, unsere Handels- und Wirtschaftspolitik übernehmt, werdet ihr irgendwann genauso florieren wie unsere Volkswirtschaften in Europa.

Das Problem hierbei: wir verkaufen unsere subventionierten Agrarprodukte wie Milch oder Geflügel an afrikanische Länder, erlassen aber gleichzeitig Zölle, um unsere heimischen Agrarkonzerne vor verbilligten Produkten aus Afrika zu schützen.

Damit werden ganze Existenzen von Kleinbauern in Afrika vernichtet.

Diese Kleinbauern von heute, die nicht mehr zu verlieren haben als ihr Leben, sind die Mittelmeer-Flüchtlinge von morgen. Entweder, sie lassen in Afrika ihr Leben durch Hungertod. Oder sie riskieren die gefährliche Überfahrt übers Meer. Eine Alternative für sie gibt es oftmals nicht.

Die EU ist handlungsunfähig

Die EU hat bisher allerdings keine Anstalten gezeigt, hieran etwas in der kommenden Legislaturperiode der EU-Kommission zu ändern. Gerade an solchen Stellen wäre es wichtig, ein souveränes EU-Parlament auf der anderen Seite zu haben, das sich nicht nur als Kontrollfunktion der Exekutive versteht, sondern eben auch auf der Ebene der Legislative Initiativen vorantreiben kann.

Bisher haben einzelne Staaten wie Deutschland immer mit dem ausgestreckten Finger auf die EU gezeigt und gefordert: Die EU muss aktiv werden, wenn es um die Bekämpfung der Fluchtursachen geht. Eine dieser Parteien, die FDP, fordert neben einer EU-weiten Klimawandelinitative auch eine EU-weite Flüchtlingsbekämpfung.

Daran ist natürlich nichts verkehrt. Bisher jedoch wurden diese Floskeln immer wieder recycelt, um eigene Initiativen hinten anzustellen und mit dem Finger auf andere Schuldige zu zeigen.

Das kann nicht die Lösung sein. Vor allem nicht von Ländern wie Deutschland, die jahrzehntelang von der EU-Flüchtlingspolitik profitiert haben, indem sie die Verantwortung auf Küstenstaaten wie Griechenland und Italien abgewälzt haben.

Die EU kann bzw. will nicht von selbst aktiv werden. Noch nicht.

Daher gilt: Deutschland und andere Staaten, die Veränderungen in der Flüchtlings- und Asylpolitik fordern, sollten eigene Bündnisse und Task-Force-Initiativen vorantreiben. Selbständig. Und zur Not eben erst einmal ohne die EU.

Hierzu bieten sich viele Möglichkeiten. Auch auf internationaler Ebene.

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