Während Deutschland über den nun beschlossenen zweiten bundesweiten Lockdown, die Maskenpflicht und Beherbergungsverbote streitet, liegen die viel entscheidenderen Fragen längst in der landes-und weltweiten Vermögensverteilung. Diese entscheidet nämlich darüber, in welcher Gesellschaft wir nach Corona leben werden. Wenn wir uns als Gesellschaft weiter wegen Schutzmasken spalten lassen, werden wir in diesen Fragen bald nicht mehr mitreden können. Dann wird es endgültig eine Welt der Superreichen, der Großinvestoren und der Großkonzerne sein. Ein kleiner Überblick, wie die Coronakrise die Umverteilung von unten nach oben vorantreibt.
Luisa Neubauer ist eine geschätzte Fridays for Future-Aktivistin, die kritische Fragen stellt und die Altparteien stetig nervt, die weltweite Herausforderung des menschengemachten Klimawandels energischer in den Griff zu bekommen. Sie tut das, was Aktivisten eben tun: Nicht locker lassen. Dafür schätze ich sie. Manchmal jedoch neigt ihr Aktivismus jedoch auch dazu, die Dinge gefährlich zu vereinfachen. So auch ihre Haltung zur Corona-Krise. Die Situation um den Erreger Sars-Covid2 zeigt eindrucksvoll auf, was passiert, wenn gewaltige Einschnitte in Wirtschaft und Gesellschaft nicht zu Ende gedacht werden. Aber der Reihe nach. Am Dienstag twitterte Neubauer einen auf den ersten Blick leicht zu beklatschenden Satz:
„Und ganz selbstverständlich wird vorgeschlagen man solle die Coronazahlen aushalten, damit die Wirtschaft ‚überlebe.‘ Logisch, Gesundheit der Wirtschaft vor Gesundheit der Menschen, Gesundheit der Märkte vor Gesundheit des Planeten, das 21. Jahrhundert hat den Dreh wirklich raus.“
Man ist schnell geneigt zu sagen: Stimmt doch! Gesundheit geht vor. Nicht immer diese Gier. Und was geht uns die Wirtschaft und die Märkte überhaupt an. Da geht es doch sowieso nur um Lobbyinteressen, die nun aufgrund des in Vordergrund getretenen Gesundheitsschutz ein paar Einbußen hinnehmen müssen.
Leider weit gefehlt. Denn was Neubauer nicht erwähnt: Den Superreichen geht es besser als je zuvor. Den meisten Großkonzernen steht eine goldene Zukunft bevor. Die „Märkte“ weichen dem Gesundheitsschutz überwiegend dort, wo sich der Raubtierkapitalismus längst nicht mehr befindet: Im Offline-Einzelhandel, in der Gastronomie von Einzel-und Familienunternehmern, bei Kleinkünstlern und Veranstaltern, in privaten Theatern und bei selbständigen Servicedienstleistern.
Kreditschulden steigen
Für Kleinunternehmen steigen außerdem die Kreditschulden: Knapp 35 Prozent der deutschen Unternehmer gaben an, in diesem Jahr Kreditverhandlungen aufgenommen zu haben. Fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Die Mieten bleiben auf gleichem Niveau, während die Nachfrage nach Baukrediten sinkt und die Menschen in Zukunft wahrscheinlich vermehrt zu Miete wohnen müssen. Wir sind in Kurzarbeit, kaufen vermehrt bei Amazon ein und bestellen unser Essen beim Lieferservice (nicht gerade gut für „die Gesundheit des Planeten“).
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Wir fahren mehr Auto, um nicht mehrere Stunden Maske tragen zu müssen. Kleinere Restaurants müssen nach und nach schließen. McDonalds hat seinen Drive-In und verdient weiter. Übrige Mitarbeiter parken noch in Kurzarbeit. Wir nehmen weniger Geld durch Kurzarbeit und Unternehmensverluste ein und zahlen somit weniger Steuern, um auch in Zukunft genügend Geld für unser Gesundheitssystem kreieren zu können und mit ausreichend Pflegepersonal unsere Kranken zu versorgen. Dazu können wir auch nach Corona die Privat-und Staatsschulden nicht einfach hinter uns lassen und unser Geld Klein-und Mittelstandsbetrieben zukommen lassen. Schuldenabbau ist angesagt. Die Banken nehmen dann das Geld ein, das die Menschen momentan sparen müssen.
Auch für die Energie-und Verkehrswende bleibt wenig Platz. Schließlich muss die Deutsche Bahn mit Milliardenhilfen vom Bund über die Krise gehievt werden und hat nun noch weniger Raum und Mittel, das Schienennetz und ihr Angebot zu optimieren.
Hungersnöte in Krisenländern wegen Lockdown-Politik
In Krisenländern droht durch den Lockdown im März und den Maßnahmen jetzt eine Hungersnot biblischen Ausmaßes. Unterbrochene Lieferketten und beeinträchtigte Hilfsprogramme während Lockdowns in westlichen Ländern treiben pro Tag rund 300.000 Menschen in den Hungerstod, mahnte der Leiter des Welternährungsprogramms David Beasley vor dem UN-Sicherheitsrat. Will Luisa Neubauer all diese Menschen auf schnelle Art und Weise opfern, um einen schnellen, aber keinesfalls langfristigen Gesundheitsschutz hierzulande zu gewährleisten? Dass solche Verschlechterungen in den Entwicklungsländern die Menschen zu noch mehr Migration und Flucht zwingen wird, als ohnehin schon, dürfte ebenfalls eine drohende Folge der Lockdown-Politik sein. Die „Wirtschaft“, die Luisa Neubauer wohl eher als zweitrangig ansieht, hat ihre Schäfchen dagegen bereits mehr als nur im Trockenen.
Beispiel gefällig: Bereits im Juni thematisierten die Generaldebatten die Staatshilfen für die Lufthansa und stellten fest, dass allein von der Aussicht auf 9 Milliarden Covid-Hilfe vom Bund vor allem einer profitierte: Der Milliardär Herrmann Thiele investierte in die Lufthansa, als sie am Tiefpunkt war. Binnen weniger Wochen machte er einen dreistelligen Millionenbetrag als Vermögenszuwachs. Diese „Wirtschaft“, nämlich die der Superreichen, funktioniert also prächtig.
Tech-Konzerne sahnen ab, uns ist es egal
Ebenso wie die der Tech-Konzerne. Das Home-Office bescherte Microsoft im zweiten Quartal einen 15-prozentigen Gewinnzuwachs gegenüber des Vorjahres. Dass Amazon zu den größten Krisengewinnern gehört, ist allgemein bekannt: Der Börsenwert seit dem Lockdown stieg um 40 Prozent. Der Gewinn verdoppelte sich gegenüber des Vorjahres. Nein, dieser Gewinn schlug sich wenig bis gar nicht in den Löhnen der Mitarbeiter nieder. Habt ihr in Amazon-Aktien während der Kurzarbeit investiert? Nein? Pech gehabt, Gesundheit geht vor. Der Stückpreis liegt derzeit bei rund 2700 Euro. Dass Amazon nicht viel dazu betragen wird, um unsere Krankenhäuser zu finanzieren, dürfte wegen allerhand Steuervermeidungstricks des Tech-Riesen wohl klar sein. Dafür könnt ihr euch aber eine Apple-Gesundheitswatch holen. Die bescherte dem Smartphonehersteller trotz einiger geschlossener Apple-Stores einen Gewinn von 11,25 Milliarden Dollar für das zweite Quartal. Auch Facebook und der Google-Konzern Alphabet steigerten ihre Gewinne deutlich.

Und noch ein paar Zahlen: Laut einer Umfrage der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, die der Deutschen Textservice Nachrichtenagentur (DTS) vorliegt, leidet jeder Dritte Deutsche an Einkommensverlusten während der Pandemie. Besonders hart trifft es Menschen in der Beherbergung (-18 Prozent), Autobranche (-17 Prozent) und in der Reisebranche (-15 Prozent). Bei jedem fünften Bürger insgesamt beläuft sich dieser Verlust sogar auf bis zu 50 Prozent, errechnet das Statistische Bundesamt. Währenddessen steigerten die mehr als 2000 Milliardäre in der Welt ihr Vermögen auf 8,7 Billionen Euro, berichtet das Handelsblatt.

Staatshilfen erhöhen Inflationsgefahr
Was ist mit den Staatshilfen? Zuallererst sind diese Entwicklungen entstanden, obwohl der Bund und die EU mit Milliarden-Hilfspaketen entgegensteuerte. Wenn die Staaten überhaupt etwas entgegen dieser Entwicklungen tun könnten, müssten sie an das Vermögen der globalistischen Superreichen herantreten – ein Vorhaben, das seit Bestehen des globalen Finanzmarktes nie gelungen ist und wozu es einer fundamentalen Systemerneuerung bräuchte – mitsamt einer Akzeptanz der Superreichen selbst. Die Hilfen kommen überwiegend aus den Haushalten, der besonders von jenem Mittelstand gefüttert wurde, der diese Hilfen nun braucht. Zusätzlich wird auf EU-Ebene Geld erschaffen und in den Umlauf gebracht, was die Inflationsgefahr spätestens dann enorm steigert, wenn Menschen ihr Geld nicht mehr horten, sondern wieder ausgeben. Der Ökonomie-Professor Hans-Werner Sinn erklärt diese Dynamik in diesem YouTube-Interview anschaulich. Dann würden die Bürger ihr privates Barvermögen verlieren, während die Superreichen früh genug in boomende Unternehmen, Impfprojekte oder Immobilien investieren können. Damit könnten sie ihr Vermögen nicht nur sichern, sondern weiter vermehren.
All diese Entwicklungen zeichnen sich nicht erst seit Beginn der Pandemie ab. Der Einzelhandel und die Kleingastronomen drohten schon vor der Coronakrise von den Amazons und Starbucks verdrängt zu werden. Den Jeff Bezos und Elon Musks dieser Welt überlassen wir seit Jahren das Feld der Neu-Gestaltung unserer Gesellschaft, ohne uns selbst in dieser Hinsicht ein nachdrückliches Mitspracherecht einzufordern. Sogenannte „Philanthropen“ wie Bill Gates und der Pharmalobby überlassen wir es darüber zu entscheiden, was gesund ist und worin es sich zu investieren lohnt. Durch das Vernichten der Innenstädte, des Kleinunternehmertums, der Unterdrückung von Start-Ups und des nicht zu regulierenden Finanzmarktes überließen wir den Großkapitalisten dieser Zeit zu lange das Feld eines fortschrittlichen Ideenaustausches. Wenn man nun von „Gesundheitsschutz vor Wirtschaft“ spricht, ist damit nicht die „Wirtschaft“ dieser Weltgestalter gemeint, die dem Gemeinwohl weichen müsse. Denn wir zerschlagen den Rest der herkömmlichen Kreislaufwirtschaft endgültig – und zwar freiwillig. Eine gesellschaftlich ausgehandelte Strategie, damit umzugehen, fehlt vollkommen. Es wird lange Zeit in Anspruch nehmen, diese Zerschlagung mit einer Legitimation der Bevölkerung neu zu gestalten- Für all diese Probleme konnten wir uns in den vergangenen Jahren schon keine Lösungen einfallen lassen. Nun bilden wir uns ein, einen plötzlichen kompletten Zusammenbruch binnen kürzester Zeit mittels Staatshilfen und Krediten wieder reparieren zu können.
Es geht längst nicht mehr nur um einen Virus
Eine gesellschaftlich ausgehandelte Strategie zur Neugestaltung unseres Wirtschaftens ist also nicht vorhanden und es wird Jahre benötigen, bis eine solche vorliegen kann. Jedoch könnte man ohnehin meinen, die meisten warten fast sehnsüchtig darauf, wie die internationalen Großkonzerne unsere Innenstädte nach ihren Interessen neu gestalten, damit wir uns dieser unangenehmen Zukunftsfrage nicht stellen müssen. Dann wird der Wirt zum Starbucks-Mitarbeiter und der Einzelhändler zum Amazon-Lagerist. Die Riesen auf dem Wohnungsmarkt wie Vonovia können die Wohnungen von Menschen aufkaufen, die ihre Kredite mit dem Erlös abbezahlen müssen. Diese „neue Normalität“ droht uns, wenn wir weiter wegschauen und denken, es gehe hier „nur“ um einen Virus.
Miteinander, nicht gegeneinander
Wer entscheidet nach Corona? Diejenigen, die Mittel, Kontakte und Macht haben, den „Great-Reset“, wie vom World-Economic-Forum eingefordert, einzuläuten? Oder die Menschen, deren Existenz am Boden liegt? Momentan sieht alles nach dem ersten Lager aus. Eine alte Normalität wird es nicht mehr geben. Nun geht es nicht mehr um Masken oder Lockdowns, sondern uns als Bevölkerung eine Stimme zu verschaffen, wie wir mit den Folgen umgehen wollen. Lieber jetzt als zu spät akzeptieren Querdenker, Maßnahmen-Befürworter, Maskengegner und Maskenunterstützer, dass man diese Riesen-Aufgabe nur gemeinsam diskutieren kann, nicht gegeneinander.
5 Kommentare zu „Nächster Lockdown besiegelt die Frage: Wem überlassen wir nach Corona unsere Welt? Die Krise und die Umverteilung von unten nach oben“