Die Causa Lisa Eckhart: Vermeidungsstrategie statt Debattenkultur – ein fatales Zeichen!

Die Kabarettistin Lisa Eckhart polarisiert mit ihrem Programm seit einigen Jahren. Nun wird sie von einem Festival in einem autonom angehauchten Hamburger Stadtviertel ausgeladen. Es bestünden „Sicherheitsbedenken“. Ihr werden unter anderem Antisemitismus und Rassismus unter dem Denkmantel der Kunstfreiheit vorgeworfen. Anstatt den politischen Streit zu suchen, gehen die Veranstalter den Weg einer Vermeidungsstrategie. Und das ist ein fatales Zeichen.

Die Österreicherin Lisa Eckhart provoziert, irritiert und spielt mit Tabus. Das ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern ihr Job als Künstlerin und Kabarettistin. Ihr Bühnenprogramm ist umstritten. Zurecht. Jedoch schafft sie es, auf überspitzte Art und Weise Diskussionen anzustoßen – eigentlich. Denn meist gehen die Debatten nicht über persönliche Angriffe auf die Person Lisa Eckhart auf der einen, und der „das wird man doch noch sagen dürfen“-Fraktion auf der anderen Seite hinaus. Eine politische rationale Debatte kommt kaum zustande. Und das ist nicht Lisa Eckharts Schuld.

Zwei Jahre alter Auftritt sorgt jetzt für Empörungswelle

Die erste große Empörungswelle erntete sie im Mai aufgrund eines Auftritts in der WDR-Sendung „Mitternachtsspitzen“. Wegen angeblich antisemitischer und rassistischer Äußerungen stieß die „Jüdische Allgemeine“ im Verbund mit dem Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung Felix Klein die Debatte an. Das Blatt zitierte darin auch Uwe Becker, einen CDU-Politiker aus Hessen, der den WRD sogar dazu aufforderte, den Clip des Auftritts aus der Mediathek zu nehmen. Mehrere jüdische Organisationen schlossen sich der Kritik an. Das Komische daran: Der angeblich antisemitische Auftritt der Kabarettistin erfolgte bereits im Jahr 2018 und ist seitdem beim WDR in der Mediathek, auf YouTube und auf Facebook öffentlich sichtbar. Dass der Antisemitismus-Beauftragte erst jetzt auf das Stück aufmerksam wurde, ist also höchst verwunderlich. Denn wenn es doch rassistische und antisemitische Inhalte verbreite, wäre es doch Felix Kleins Job, früher zu reagieren und darauf aufmerksam zu machen. Stattdessen war das Video zwei Jahre lang auf den Seiten eines öffentlich rechtlichen Fernsehsenders für jeden zugänglich, ehe dessen angeblich gefährlicher Inhalt entlarvt werden konnte. Schlechter Job vom Antisemitismus-Beauftragten.

Doch kommen wir zu den umstrittensten Stellen des Auftritts. Zusammengefasst zählt Eckhart drei prominente Männer auf, die im Zuge der MeToo-Bewegung der sexuellen Belästigung und Nötigung in mehreren Fällen verdächtigt wurden: Die Regisseure Roman Polanski und Woody Allen sowie der Filmproduzent Harvey Weinstein. Alle drei sind jüdischen Glaubens. „Finden Sie dieses MeToo nicht auch antisemitisch?“, fragte die Kabarettistin rhetorisch. Es folgt der wohl umstrittenste Satz: „Es ist ja wohl nur gut und recht, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen. Mit Geld ist ja nichts gutzumachen“.

Gute Klischees, schlechte Klischees

Im Grunde warnt Eckhart vor einem zu fest gezeichnetem Täter-Opfer-Schema. Dieses Schema verhindert es, Menschen nicht nach Taten und Worten zu beurteilen, sondern nach Herkunft, Geschlecht und Ethnie – in gutem wie im schlechten Sinne. Im Zuge der Taten Weinsteins und Polanskis wird gerne von den Taten eines weißen, alten und heterosexuellen Mannes gesprochen. Die Überbetonung des jüdischen Mannes bleibt zum Glück aus. Jedoch werden auch die anderen Zuschreibungen als Klischees bedient, die alte, weiße und heterosexuelle Männer über einen Kamm schert, die angeblich flächendeckend zu viel Macht und Privilegien hätten und diese in Gewalt gegenüber Frauen ausnutzen würden. Der alte, weiße und heterosexuelle Mann ist ein Grapscher – siehe Weinstein, Polanski und Allen. Wenn es jedoch hieße, der weiße, heterosexuelle, alte und jüdische Mann sei ein Grapscher, würde dies zurecht für einen Aufschrei sorgen.

Eckharts Auftritt könnte in einer aufgeklärten Gesellschaft dazu führen, sich selbst und die von der Mehrheit geduldeten Klischees um den weißen alten Mann zu hinterfragen. Stattdessen wird sich nur auf einen angeblichen Antisemitismus seitens der Künstlerin fokussiert. Viele Kritiker bestätigen Lisa Eckharts Aussagen und Botschaften somit selbst, ohne es zu wissen. Sie holte bei ihrem Auftritt noch weiter aus. Der Homosexuelle Kevin Spacey habe sich an Knaben vergriffen. Und: „MeToo trifft auch Schwarze wie Bill Cosby und Morgan Freeman.“ Zusammengefasst: „Was tun, wenn die Unantastbaren beginnen, andere anzutasten. Der feuchte Abltraum der politischen Korrektheit.“

Natürlich sind Eckharts Aussagen auch mit Vorsicht zu genießen. Beispielsweise schlachtet sie das Klischee des reichen, wohlhabenden Juden kräftig aus – und das muss man wirklich nicht gut finden. Reparationszahlungen an Juden hätten etwa den gleichen Effekt, wie Dietmar Mateschitz eine Dose Red Bull in die Hand zu drücken. Und was ihre Aussagen zu MeToo betrifft: Weder Sexualität und Hautfarbe, noch die Religionszugehörigkeit schützte die von ihr aufgelisteten „Unantastbaren“ davor, durch die MeToo-Bewegung in ein heftiges Kreuzfeuer und letztendlich vor Gericht zu geraten. Diese Merkmale wurden dabei weder zu einem „Argument“ für eine Ursache dieser Taten gemacht, noch führten sie dazu, von der breiten Masse in Schutz genommen zu werden. Sie spielten schlichtweg keine Rolle, sondern einzig ihre vermeidlichen Taten. So soll es auch sein. Deshalb wäre es ja gerade wünschenswert, wenn der altbekannte „weiße, alte und heterosexuelle Mann“ aus solchen Diskussionen genauso verschwinden würde, wie der „Jude“, der „Schwarze“, der „Homosexuelle“ und so weiter.

Kabarett bringt progressive Gedanken hervor, man muss sich nur darauf einlassen

Solche Gedanken und Erkenntnisse könnte Eckhart also mit ihrem umstrittenen Programm hervorbringen, wenn sich die Kritiker und Befürworter auf gewinnbringende Debatten einlassen würden. Aus ihrem Beispiel leitet die „Zeit“ stattdessen ab, das Kabarett sei schon immer eine „Funktion als Rückzugsort in repressiven Gesellschaften“ gewesen. Das ist schlicht falsch. Denn solche Programme könnten sehr wohl zu einer fortschrittlicheren Gesellschaft führen. Nämlich einer Gesellschaft, in der Stereotype – ob positiv oder negativ – und Identitätspolitik nicht mehr die politischen Debatten bestimmen, sondern einzig und allein das Argument. Eine progressive Utopie, nicht wahr?

Anstatt einem Menschen immer nur die bösesten Absichten zu unterstellen, sollte man sich also besser in Dialoge begeben. Die Känzelung des Auftritts in Hamburg, von der der „Spiegel“ als erstes berichtet hatte, bewirkt stattdessen das Gegenteil. Die Veranstalter des „Harbour-Fronts Literaturfestivals“ befürchten im Falle eines Auftritts von Lisa Eckhart in einem sehr linksorientierten Hamburger Viertel eine Gefahr für die dortige Sicherheit. Eckhart selbst wollte trotz aufkommender Drohungen jedenfalls auftreten. Doch sie musste sich dem Hausrecht der Veranstalter beugen. Die Ausladung löste eine erneute Diskussion über die sogenannte „Cancel-Culture“ aus. Auf der einen Seite bezeichnet etwa der konservative Kabarettist Dieter Nuhr die Ausbotung als „Skandal“. Andere meinen, Rassismus und Antisemitismus auszugrenzen habe nichts mit einer „Cancel-Culture“ zu tun.

Ausladung Bestätigung für Anti-Demokraten

Was aber hängen bleibt, ist das fatale Zeichen, dass der Veranstalter mit der Ausladung aussendet. Er belohnt damit diejenigen die so weit gehen, dass sie sogar Drohungen gegenüber der Künstlerin und den Veranstaltern aussprechen, um abweichende Meinungen zu bekämpfen. Er belohnt nicht diejenigen, die eine offene und demokratische Debatte suchen, sondern die Anti-Demokraten, die andere Sichtweise notfalls auch mit Drohungen bekämpfen. Und es bestärkt die radikalen Kräfte links wie rechts, andere Sichtweisen weiterhin auszublenden und als illegitim abzustempeln. Ich für meinen Teil wünsche mir jedenfalls eine Gesellschaft, in der konservative und auch provozierende Gedanken ohne Sicherheitsbedenken in einem linken Stadtteil einer Großstadt geäußert werden dürfen und können. Der Auftritt wäre ein Zeichen gewesen, sich von antidemokratischen Kräften nicht einschüchtern zu lassen. Über die Inhalte darf letztlich trotzdem gerne gestritten und dagegen protestiert werden. Die Ausladung Eckharts ist Ausdruck einer Vermeidungsstrategie, nicht einer Debattenkultur. Schade.

Veröffentlicht von chsscha

Freidenkender Schreiberling, der sich um Zukunftsfragen Gedanken macht und Fragen stellt, die nicht in Dauerbeschallung durch die Kanäle der Republik gepeitscht werden. Ich bin Mitgründer und Administrator des Gemeinschaftsblogs www.generaldebatten.com. Auch findet ihr uns auf unserem Youtube-Channel "knallhart durchgeleuchtet". Viel Spaß beim Durchstöbern unserer und meiner Inhalte!

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